TREND#7
ENTWICKLUNG DER MÄRKTE

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EHL (c) Matthias Dorninge
Michael Ehlmaier findet im Interview klare Worte zum Bestellerprinzip. Zudem kündigt er ein starkes ESG Engagement an.

Radikale
Kunden-
Orientierung

Michael Ehlmaier, Geschäftsführender Gesellschafter der EHL- Gruppe, bemerkt im Interview mit Heimo Rollett eine Trendwende hin zu größeren Wohnungen mit mehr als nur zwei Zimmern. Als Geheimnis des 30-jährigen Erfolgs von EHL kann man eine kompromiss- lose Orientierung an den Kundenbedürfnissen herauslesen.

Immobilienwirtschaft: Wann rechnen Sie mit der Einführung des Bestellerprinzips und was bedeutet das für die Branche?

Michael Ehlmaier: Wir rechnen damit, dass dem Nationalrat in nächster Zeit ein Gesetzesentwurf zum Bestellerprinzip vorgelegt wird. Die Immobilienbranche und speziell der Berufsstand des Immobilienmaklers hat sich innerhalb der letzten Jahrzehnte stark gewandelt und das Ansehen, durch reglementierte Berufszugänge und erweiterte Ausbildungsmöglichkeiten, stark positiviert. Der Beruf als Immobilienmakler ist nach wie vor und tagtäglich an viel Arbeit, Engagement sowie Fleiß geknüpft, wie bei vielen anderen Dienstleistungsbranchen auch. Mit der Einführung des Bestellerprinzips wird die Wertschätzung und eine ehrliche, faire Honorierung, auf rein politischer Ebene, unbegründet infrage gestellt und ausgeschlossen. Des Weiteren wird das Bestellerprinzip für den Endkunden keine unbedeutenden Folgen haben, wie beispielsweise eine Angebotsverknappung am Markt oder erhöhte Mieten, denn die Übernahme der Provision durch den Vermieter wird als zusätzliche Kosten auf die Miete aufgeschlagen. Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass wir Wege finden müssen, noch effizienter zu arbeiten. Wir arbeiten dafür neue Konzepte aus, und ich bin zuversichtlich, dass wir auch unter geänderten Umständen unsere Dienstleistung weiter erfolgreich erbringen können.

Auch für den Verkauf? Was halten Sie von der deutschen Regelung: Private Käufer müssen nur noch maximal die Hälfte des Maklerhonorars zahlen, die andere Hälfte oder mehr muss der Verkäufer tragen.

Die Vereinbarung der Honorarhöhe sollte nach wie vor zwischen dem Mieter/Käufer bzw. Vermieter/Verkäufer frei vereinbar sein. Den Rahmen für die maximale Provisionshöhe geben bereits die Standesund Ausübungsregeln für Immobilienmaklervor.

Mit Anlegergeldern werden vor allem 1- und 2-Zimmer-Wohnungen gebaut. Die mittelfristige demografische Prognose ist rückläufig, Familien können sich kaum noch entsprechend großen Wohnraum leisten. Was läuft hier schief?

Seit Pandemiebeginn sehen wir, dass die Nachfrage nach 3- und 4-Zimmer- Wohnungen verstärkt angestiegen ist. Wir verbringen deutlich mehr Zeit in den eigenen vier Wänden, wodurch sich der Wohnraum an neue, multifunktionale Anforderungen anpassen muss (Homeschooling, Homeoffice, Freizeit und Erholung). Der Wunsch nach einem zusätzlichen Zimmer ist bei Wohnungssuchenden größer geworden, weshalb wir auch eine Trendwende im Wohnungsmix künftiger Wohnprojekte sehen. Grundsätzlich gibt es nicht unbedingt zu wenige Familienwohnungen am Markt, aber sie werden zum Teil nur von den falschen Personen genutzt. Gemeindewohnungen, geförderte Genossenschaftsund Mietwohnungen sowie Wohnungen, die dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegen, stellen ca. 65 Prozent des Gesamtwohnungsbestands in Wien dar. Da die Mieter von Gemeindewohnungen und geförderten Wohnungen nach Bezug nie wieder auf Förderungswürdigkeit überprüft werden, „blockieren“ sie diese Wohnungen auch nach Wegfall der Förderungswürdigkeit bzw. wenn sie objektiv gesehen nicht mehr förderungswürdig sind. Bei Wohnungen im Vollanwendungsbereich bleiben die Mieter in den oft großzügigen Wohnungen, auch wenn ihre familiäre Situation die Fläche bzw. Anzahl der Zimmer nicht mehr erfordert, da diese Wohnungen oft günstiger sind als wesentlich kleinere Wohnungen, die zur Marktmiete vermietet werden.

„Der Wunsch nach einem
zusätzlichen Zimmer ist bei Wohnungssuchenden größer geworden.“

„Der Zenit der Automatisierung ist noch lange nicht erreicht.“

Was halten Sie für die großen Herausforderungen der nächsten fünf Jahre?

Eine große Herausforderung, welcher wir uns sehr gerne stellen, da sie nicht nur für die Immobilienbranche, sondern für den gesamten Wirtschaftsmarkt von großer Bedeutung ist, ist der gesamte Bereich rund um ESG. ESG wird auch bei EHL eine Schlüsselrolle in unserer strategischen Ausrichtung einnehmen. Gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern beleuchten wir schon verschiedenste ESG-Aspekte in der Immobilienbranche. Auch die zunehmende Internationalisierung am Transaktionsmarkt, Veränderungen im PropTech- Bereich oder die Positionierung als attraktiver Arbeitgeber sind Themen, die uns in Zukunft intensiv begleiten werden und auf die wir jedenfalls gut vorbereitet sind.

EHL feierte eben das 30-Jahr-Jubiläum. Mittlerweile deckt EHL viele Bereiche ab. Nur das Development nicht. Bleibt es in Zukunft dabei?

Projekte selbst zu entwickeln, steht tatsächlich nicht am Plan. Wir möchten für unsere Kunden unabhängig sein und bleiben. Das heißt, wir werden nicht mit eigenen Produkten auf den Markt gehen und hier mit unseren Kunden in Konkurrenz stehen. Wir bieten unsere Dienstleistungen – Vermittlung, Bewertung, Investment, Verwaltung, Baumanagement – bewusst rund um den Bauträger an, um so unsere Kunden objektiv und bestmöglich beraten zu können. Das Tolle an EHL ist, dass wir viele Standbeine haben, die sich oft unterschiedlich entwickeln, und dadurch auch in herausfordernden Zeiten eine stabile Entwicklung gewährleistet ist.

Alle reden von der Digitalisierung. Aber nicht alle Bereiche sind davon so stark betroffen, etwa die Immobilienvermittlung – hier bleibt die Dienstleistung im Vordergrund, oder?

Auch die Immobilienvermittlung hat einen Digitalisierungsschub erfahren, besonders in der Immobilienvermarktung hat sich in den letzten Jahren im Bereich der digitalen Welt viel getan. So werden beispielsweise Virtual Reality und Augmented-Reality- Tools eingesetzt, um besondere Client Experiences zu schaffen. Doch das ist nur ein kleiner, sichtbarer Teil für den Endkunden im Bereich digitaler Chancen und Medien. Heute werden Prozesse bei Dienstleistungsunternehmen besonders im Hintergrund verstärkt digitalisiert und optimiert sowie künstliche Intelligenz eingesetzt, um am Ende des Tages den Kunden noch besser, rascher und zielgerichteter zu servicieren. Dennoch hat sich bei uns gezeigt, wie wichtig der persönliche Kontakt mit dem Kunden ist und wie stark dieser nachgefragt wird. So ist beispielsweise die Zahl der Besichtigungen nach dem ersten Lockdown stark gestiegen. Kundenbeziehungen werden gefordert und gelebt, schließlich ist die Immobilienanmietung bzw. der Immobilienkauf eine meist emotionale Sache, die aber auch einer rechtlichen Aufklärung bedarf. All diese digitalen Tools, die es bereits gibt und die noch kommen werden, sehen wir daher eher als Ergänzung zu unserer Dienstleistung.

Könnte im Hintergrund nicht noch viel mehr automatisiert werden?

Der Zenit in der Automatisierung ist noch lange nicht erreicht. Wir sind ein dynamisches Unternehmen und stehen Innovationen sehr offen gegenüber, prüfen aber auch immer kritisch neue Tools und Möglichkeiten. Im Vordergrund steht bei uns immer, dass digitale Innovationen einen Mehrwert für unsere Kunden haben und Informationen, Daten und Unterlagen einfacher, rascher und besser zugänglich gemacht werden. Darüber hinaus hilft uns die zunehmende Digitalisierung in unserem Unternehmen deutlich schneller und effizienter zu werden.

EHL (c) Matthias Dorninger
Durchaus ein Grund, stolz zu sein: EHL feierte eben sein 30-Jahr-Jubiläum. 
Michael Ehlmaier hat es zu dem gemacht, was es heute ist: ein breit gefächerter Immobiliendienstleister

„ESG wird auch bei EHL eine Schlüsselrolle in unserer strategischen Ausrichtung einnehmen.“

Alle klagen über Fachkräftemangel, wie sieht das in der Immobilienbranche aus? 

Der Immobiliensektor ist im Vergleich zu anderen Branchen wie Gastronomie und Hotellerie nicht so stark betroffen, dennoch ist auch für uns ein Fachkräftemangel spürbar. Durch ein ausgezeichnetes Betriebsklima, hervorragende Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie zeitgemäße Benefits versuchen wir ein äußerst attraktiver Arbeitgeber zu sein. Auch wir bemühen uns um sehr gute Mitarbeiter und stellen uns diesem „War for Talents“. Top ausgebildete, verlässliche und ehrgeizige Mitarbeiter sind in unserer Unternehmensgruppe immer sehr willkommen.

Kurz noch etwas Privates. Wie oft kommen Sie überhaupt zum Üben Ihres Instruments? 

Musik spielt für mich eine sehr wichtige Rolle, ich spiele ja auch seit meinem sechsten Lebensjahr leidenschaftlich gerne Geige. Beim Musizieren schaffe ich es besonders rasch, meinen Kopf freizubekommen, und es ist somit für mich ein toller Ausgleich zum oft stressigen Arbeitsalltag. Besondere Freude habe ich, dass der musikalische Funken auch auf meine Kinder übergesprungen ist und wir regelmäßig gemeinsam zuhause musizieren.

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