Geschafft!

TREND Verdichtung

Diese Orte haben gekämpft – mit ihrer Zersiedelung, mit sich selbst, mit dem Vorurteil, dass nichts besser werde. Sie haben es geschafft, ihre Ortsmitte wieder zu beleben.

Am besten, Sie fahren nach Waidhofen an der Ybbs, rät Roland Gruber. Die seien seit fast 20 ­Jahren unermüdlich am Orts­mitte­Thema dran und Pioniere in vielerlei Hinsicht. Die Stadtgemeinde schaffte es, ­ihren Leerstand von 35 Prozent auf null zu senken. Das motiviert – meint auch Mario Abl, der Bürgermeister von ­Trofaiach: „Eine Innenstadt wachzuküssen braucht viel Geduld und Zeit – mindestens zehn ­Jahre!“ Die 11.000 Einwohner der obersteirischen Stadtgemeinde sind auf einem guten Weg. Das Zentrum wurde mit einer Musikschule, neuen Gast­stätten, alternativen Büros und Gewerbe, einem Mobilitäts­knoten, Kultur und einer Begegnungs­­zone weiterentwickelt.

Hauptberuflicher Zentrumskümmerer

Vieles war mutig, sehr sogar. Zwei alte Gebäude mussten für den modernen Mobilitätsterminal weichen. Dafür steht hier jetzt ein Hub mit Bücherregal, Warte­raum, Ladestation und vor allem: einer sinnvollen Verbindung in die nächste größere Stadt, Leoben. Auch die modern ausgestaltete Begegnungszone war nicht jedermanns Sache. Die Durchzugs­straße bekamen die Bewohner so aber weg. Die Musikschule wurde in einem viele Jahre lang leer stehenden Wirtshaus – nach dessen Sanierung – untergebracht, hat aber keine Parkplätze, sondern nur Zonen fürs schnelle Ein- und Aussteigen. Dass alles dann doch eher reibungslos verläuft, dass miteinander geredet wird und dass Ideen aufgegriffen und kanalisiert werden, dafür ist Erich Biberich zuständig. Er ist hauptberuflicher Zentrumskümmerer. Diese Person stellt nicht nur das Gesicht des Veränderungsprozesses dar, ­sondern hat auch die Aufgabe, die richtigen Menschen in den richtigen Situationen zusammen­zubringen, offen zu sein für neue Ideen und Vorschläge weiterzuentwickeln, nützliche Netzwerke aufzu­bauen, Wissen sichtbar zu machen und im Hintergrund die Fäden zu ziehen und Umsetzungen zu managen. Zwei weitere wesentliche Zutaten braucht es dann doch noch: Das unum­stößliche Bekenntnis der Politik für Innen­entwicklung vor Außenentwicklung und einen umfassenden partizipativen Entwicklungsprozess. Zusammen hat das in Trofaiach dazu geführt, dass nach drei ­Jahren bereits rund zwei Drittel der 35 leer stehenden Objekte neu besiedelt waren. Derzeit versucht die Stadtgemeinde Immobilien fürs zentrumsnahe Wohnen zu reaktivieren. Auf einer brach liegenden Bahntrasse soll in den kommenden Jahren neuer Wohn- und Lebensraum entstehen, heißt es.

Beharrlichkeit macht sich bezahlt: Nach drei Jahren waren bereits rund zwei Drittel der 35 leer stehenden Objekte neu besiedelt.
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Ein lange leer stehendes Gasthaus wurde saniert und zieht heute, als Musikschule genutzt, wieder die Leute ins Zentrum.

Handel und Kreativszene

Internet hin oder her, für manche Orte reicht es auch, einen Handelsmagneten ins Zentrum zu setzen – und schon kommen wieder alle mitten ins Herz. Dass man in Leoben nicht nur ein Einkaufszentrum direkt beim Hauptplatz gebaut hat, sondern diesen auch noch mit einer Tiefgarage unterkellert hat, war natürlich clever. Ähnliche Effekte erwarten sich Experten von der Ansiedelung beliebter Textilgeschäfte (H&M, New Yorker, Fussl) in Kombination mit dem neuen Stadtparkquartier in Weiz. Auch die Integration der Kreativ­szene scheint ein Erfolgsrezept für die Innenstadt-Belebung zu sein. Das oberösterreichische Ottensheim hat sich in den letzten 15 Jahren vorwiegend durch kreativwirtschaftliche Initiativen und gute ­Projekte ins Krapfen-Rampenlicht gespielt. Und Munderfing – ebenfalls in Oberösterreich – hat ein Wirtshaus uminterpretiert und fährt damit ebenso sehr gut.

Innerörtlicher Bildungscampus

Dort stand inmitten des Ortskerns ein wunderschönes Wirtshaus fast 40 Jahre leer. Es war klar, dass es in der Urform – Bewirtung und Übernachtung – nicht funktionieren kann. Die Gemeinde hatte Bedarf an einem Co-Working Space angemeldet, und die orts­ansässigen Unternehmen suchten nach einem Seminarort sowie Startwohnungen für junge Mitarbeitende bzw. für temporäre Arbeitskräfte. In einem Partizipationsprozess hat das Büro nonconform alle wesentlichen Stake­holder und die Bevölkerung sowie vor allem den Besitzer sowie die Gemeinde zusammengeholt und eine hybride Nutzungsmischung (und auch eine je nach Nutzung unterschiedliche ­Finanzierung) ausverhandelt. Mittlerweile ist das Haus umgebaut, erlebt eine neue Blüte und ist wieder Mittelpunkt des Dorflebens. Das klassische Wirtshaus im Erdgeschoss ist auf einen überschaubaren Raum konzentriert, dafür bringt ein Multifunktionsort für Kreativwirtschaft, Seminare, temporäres Wohnen und ­Kulinarik Schwung in die Bude. Weitere Erfolgsorte: Die Tiroler ­Gemeinde Fließ, dort wurde ein nutzungs­durchmischtes Ensemble aus Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeit am Areal mehrerer leer stehender ­Gebäude in der Ortsmitte entwickelt (Baukulturgemeinde-Preis, Europäischer Dorf­erneuerungs-Preis). Die Kärntner Gemeinde St. Andrä im Lavanttal hat als Impuls ein nutzungsgemischtes Rathaus am Grundstück eines Leerstandes ­errichtet und drumherum Nahversorger mit Kaffeehaus, Wohnen und Bank ins Zentrum gebracht. In Moosburg ist neben Impulsen zu verdichtetem Wohnen und dem innerörtlichen Bildungscampus auch ein Co-Working Space in einem Leerstand entstanden.

Das Ensemble im Tiroler Ort Fließ erhielt zu Recht den Europäischen Dorf-­ erneuerungspreis. Die Mischung aus Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeit am Areal mehrerer leerstehender Gebäude brachte neues Leben ins Zentrum.