Leistbares Wohnen. Nein: Leistbare Qualität

Leistbares Wohnen

Während die einen Vermögen erben, kämpfen die anderen darum, sich das Wohnen leisten zu können. Dabei sind freilich auch die Ansprüche an den Wohnraum gestiegen, die Mieten ebenso – die Gehälter nicht. In dieser Spirale kursiert die Forderung nach mehr leistbarem Wohnraum durch Österreich, doch ein paar Stellschrauben für eine Entspannung des Wohnmarktes gibt es.

Der Bauwirtschaft geht’s gut – die Auftragsbücher sind voll, die Baukosten sind laut Statistik Austria wieder ge­stiegen, die Baupreise sind auf einem guten Niveau. Die Nachfrage nach leistbarem Wohnraum steigt aber ebenso, und das stellt die Bauwirtschaft vor eine Herausforderung, soll doch günstig gebaut werden, dabei aber ja die gehobenen Ansprüche an den Wohnraum verwirklicht werden.

Fünf-Euro-Miete und Enteignung

Fakt ist, die Wohnungspreise ­explodieren – auch außerhalb von Österreich. In Deutschland gibt es ernsthafte Diskussionen, ob nicht Unternehmen, die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen und deshalb die Mietpreise fest im Griff haben, ent­eignet werden sollen – um die Wohnungen wieder für eine breitere Bevölkerungsgruppe leistbar zu machen. Eine starke Ansage, die aber zugleich die Verzweiflung ob der in die Höhe geschnellten Mietpreise widerspiegelt. In Österreich – besonders engagiert zeigen sich dabei Wien und ­Vorarlberg – ist man bemüht, die Mietpreise zu senken. Die Fünf-Euro-­Miete ist hier ein Schlagwort, also die Quadratmetermiete inklusive Betriebs­kosten, das schaffen jedoch nur wenige. Leistbarer Wohnraum ohne Abstriche an die Qualität gilt für viele Bauträger als die Quadratur des Kreises. Da wird dann schon mal auf Garagen oder Liftanlagen verzichtet – selbstverständlich im Einverständnis mit den zukünftigen Mietern. Laut einer ­aktuellen Umfrage von Gallup, im Auftrag des Verbandes der gemein­nützigen Bauträger Österreichs, GBV, die den Löwenanteil an günstigem Wohnraum errichten, stellt die Bevölkerung den Bauträgern des GBV zwar ein sehr gutes Zeugnis aus – jedoch mit einem sorgenvollen Blick auf ­weitere Preis­steigerungen und die künftige Leistbarkeit. 92 Prozent der GBV-Bewohner und 88 Prozent der Nicht-Bewohner be­werten die Be­deutung des gemein­nützigen Wohnbaus für das Wohnungswesen in Österreich als hoch. Finanziell leistbar, aber auch die hohe Wohnqualität, bedingt durch gute Ausstattung, Infrastruktur und Sicherheit, wird vielfach als Charakteristikum erwähnt. Positiv betont wurde in der Umfrage allgemein die hohe Lebens- und Wohnqualität – als sehr negativ allerdings eben der Kostenfaktor: Sowohl Miet- als auch Kaufpreise werden als kaum ­leistbar erachtet.

Was ist leistbar?
In Österreich werden im Schnitt 25 Prozent des Nettoeinkommens für Wohnkosten bezahlt. Österreich liegt damit laut Eurostat deutlich unter dem EU-Durchschnitt. In Deutschland kommt das Thema leistbarer Wohnbau massiv unter Druck: Mittlerweile zahlen 40 Prozent der Haushalte in Großstädten mehr als 30 Prozent für ihre Miete. Spitzenreiter ist London – dort beträgt der Wohnkostenanteil in manchen Bezirken bis zu 90 Prozent des Einkommens. Die Mieten steigen – im Gegensatz zum Einkommen. Dies stellte jüngst auch der Dachverband Housing Europe fest und warnte zugleich vor der weiteren Entwicklung, wenn keine Gegenmaßnahmen getroffen werden. In Österreich betragen die Mieten pro Quadratmeter inklusive Betriebs­kosten im Durchschnitt 7,60 Euro. Am teuersten wohnt man in Salzburg – am günstigsten im Burgenland mit 5,80 Euro pro Quadratmeter.

Einsparungen schwierig

Paradoxerweise steigen aber die Ansprüche: Balkon, Abstellraum, Freiflächen, Aufzug und Keller werden als selbst­verständlich vorausgesetzt. Da wird es mit Einsparungen schwierig. Andreas Holler von der BUWOG forciert bei einer Vielzahl an Wohnbauten leistbaren Wohnbau, mit Mieten von rund sechs Euro pro Quadrat­meter. Als wesentliche Stellschraube beschreibt er eine kluge und effiziente Planung: „Aber natürlich geht es vor allem um die Grundstückspreise, die in den vergangenen Jahren explodiert sind. Mit diesen Preisen sind leistbare Wohn­bauten schwierig.“ Auf mehr ­Wirtschaftlichkeit beim Planen und Bauen setzt auch ­Kallinger, der mit seinem Slim-Building-­System besonders günstige Wohnbauten realisiert. Mit einer ­­kompakten Bauweise erreicht er Planungs- und Kosten­effizienz trotz hoher Wohnqualität. Auch die BUWOG forciert mehr Wirtschaftlichkeit beim Bauen, um mehr leistbaren Wohnraum zukünftig bauen zu können, so Holler: „Leistbar bauen kann man – wenn man nicht zu gierig ist und sich keine zu hohen Margen erwartet.“ Doch sind die Nutzer bereit, ­Abstriche zu machen? Auch diese Frage stellte die Umfrage der GBV. Fazit: Sparbereitschaft gibt es bezüglich Wohnungsgröße, ­Architektur und Barrierefreiheit. Die Stadt Wien versuchte mit dem Smart-Wohnbauprogramm der Kosten­explosion ebenso entgegenzuwirken. Die Ziele der ­Initiative waren u. a. ein niedriger Eigenmittel­beitrag von 60 Euro pro Quadrat­meter und eine Miete von 7,50 Euro pro Quadrat­meter. ­Erste Praxisbeispiele zeigen – es geht. Der Wohnbau „Wohnregal“ im Sonnwend­viertel entstand im Rahmen des ersten Smart-Wohnungen-Bauträgerwettbewerbs. 148 Wohneinheiten, davon 116 Smart-Wohnungen, wurden von den Architekten Geiswinkler & Geiswinkler geplant und vom Bauträger Heimbau ­errichtet – ohne sichtbare Qualitätsunterschiede zu konventionellen ­Wohnbauten.

Was machen die Jungen?

„Vor allem junge Menschen stöhnen unter den hohen Mietkosten. Mit der Mietkosten­explosion muss endlich Schluss sein“, wettert Renate Anderl, ­Präsidentin der Arbeiterkammer Wien. Das Institut für empirische Sozial­forschung führte im Auftrag der AK eine ­Befragung bei 503 Wienern durch. Die Befragten waren maximal 35 Jahre. Interviewt wurden Mieter, die innerhalb der vergangenen fünf Jahre eine Wohnung in Wien neu angemietet oder einen be­fristeten Mietvertrag verlängert haben. Das durchschnittliche Haushaltseinkommen lag bei rund 2.800 Euro netto im Monat. Ein Wohn­bonus zur steuerlichen Absetzbarkeit eines Teils der Wohn­kosten soll eine Entlastung bringen, so der Vorschlag der AK. Zudem wird ein neues Mietrecht mit tauglichen Obergrenzen gefordert, das Befristungen nur noch in ­Ausnahmefällen zulässt und die Maklerprovision für Mieter verbietet. 28 Prozent der Befragten sind in einen Gemeinde- und 31 Prozent in einen Genossenschaftsbau gezogen. Eine private Mietwohnung haben 41 Prozent der ­jungen Wiener angemietet. Im Schnitt wird in einer 72 Quadratmeter großen Wohnung gelebt, die ohne Strom, Heizung und Warmwasser über 790 Euro monatlich kostet. Für eine vergleichbare Gemeinde­wohnung werden 540 Euro pro Monat bezahlt. Für Genossenschaftswohnungen sind im Schnitt knapp 600 Euro pro Monat fällig. „Die günstigsten Wohnungen gibt es bei der Gemeinde. Obwohl die Befragten dort nur über unterdurchschnittliche Einkommen verfügen, ist die Mietkostenbelastung nicht höher als bei Genossenschaftswohnungen und deutlich geringer als im privaten Segment“, erläutert Thomas Ritt, Leiter der Abteilung Kommunalpolitik der AK. „Hier zeigt sich erstens, wie wichtig Gemeindewohnungen sind, und zweitens, dass sie an die richtigen Leute vergeben werden.“

Immer mehr Familien ziehen aufs Land
Während Junge und Ausländer zum Studieren oder Arbeiten in die Städte ziehen, verlassen wohnungssuchende Familien mittlerweile wieder häufiger die Zentren und ziehen ins Umland, wo mehr Wohnfläche weniger kostet, so eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Medial wahrgenommen wird eher nur die große Urbanisierung. Differenziert betrachtet zeigt die Studie aber klar: Für das Bevölkerungswachstum sorgen vor allem junge Inländer und Zuwanderer. Familien ziehen dagegen immer häufiger ins Umland der Großstädte – dort können sie sich mehr Wohnfläche leisten. Auch in Österreich sei dieser Gegentrend wahrnehmbar. „Wohnen in ländlicher Lage ist wieder gefragt. Vor allem Familien mit Kleinkindern, aber auch Best Ager wünschen sich ein Zuhause außerhalb der Großstädte“, analysiert man bei Raiffeisen Immobilien und verweist auf das Waldviertel. Der Fall des Eisernen Vorhangs, Folgeinvestitionen in Infrastruktur, die günstigen Immobilien­preise sowie gesellschaftliche Trends würden sich positiv auf die Standort­attraktivität auswirken. Seit 2009 seien laut Raiffeisen Immobilien mehr als 45.000 Menschen in die Region im Nordwesten Niederösterreichs gezogen, 2018 wechselten im Waldviertel rund 2.200 Immobilien den Besitzer, um 27 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. „Besonders beliebt ist die Region bei jungen Paaren mit Kindern. Die größte Gruppe der Zuziehenden ist um die 30 Jahre alt. Viele von ihnen bringen Kinder mit“, so Peter Weinberger, Sprecher von Raiffeisen Immobilien Österreich. 11.963 der zuziehenden Menschen kamen aus Wien ins Waldviertel. Freilich sind diese Zahlen immer in Relation zur Abwanderung zu setzen, und ja, es ziehen auch viele aus der Region weg, die Wanderungsbilanz ist aber positiv, es sind 3.369 mehr Hauptwohnsitzer zugewandert als abgewandert. Ländlich geprägte Gebiete mit schlechter Infrastruktur profitieren hingegen von der neuen Stadtflucht bisher kaum, belegen die IW-Wissenschaftler in ihrer Studie. Regionen mit schlechter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und schlechter Breitbandversorgung schrumpfen ungeachtet des Trends weiter.

Zukunft Sanierung

Welche Erwartungen gibt es an die ­Zukunft? „Primäres Thema ist die Sicherstellung von leistbarem, kostengünstigem Wohnraum. In weiterer Folge ist auch die Sanierung der Wohnungsbestände eine Herausforderung für die Zukunft“, erklärt Karl Wurm, Obmann der GBV. Georg Bursik, Geschäftsführer Baumit, sieht das Thema leistbares Wohnen wesentlich komplexer: „Dieser Bereich wird heute von einer Reihe von Faktoren beeinflusst. Dabei geht es nicht allein um Kosten der Wohnungserrichtung, ­sondern auch um den laufenden Betrieb und Substanzerhalt. Die wachsende Bürokratisierung – Stichwort Stellplatzverordnung – und die Schaffung immer weiterer technischer Vorgaben tragen zu einer rasanten Verteuerung des Wohnraums bei. Ein entscheidender erster Schritt zu leistbarem Wohnen wäre demnach die Entbürokratisierung und Entrümpelung der Bauordnungen sowie ein Einbremsen der überhandnehmenden technischen Ausstattung in Gebäuden.“