Eigentum mit kleinen Schönheitsfehlern

TREND Baurecht

In Zeiten knapper Grundstücksressourcen kommt dem österreichischen Baurecht immer mehr Bedeutung zu. Aber was passiert eigentlich nach dem Ablauf des Baurechts? Und kann Baurecht auch am Bestand begründet werden? Peter Oberlechner analysiert das spezielle Recht in diesem Gastbeitrag.

In Zeiten knapper Baulandressourcen und steigender Immobilienpreise wird nach Wegen gesucht, eine „Mehrfachverwertung“ von Immobilien in rechtlich zulässiger Weise zu erreichen. Das österreichische Recht kennt zwei Wege, Bauen auf fremdem Grund zu ermöglichen: Das ­Superädifikat – also der „Überbau“ – und das Baurechtseigentum.

Peter Oberlechner, Rechtsanwalt, leitet den immobilien­rechtlichen Bereich der Kanzlei Wolf Theiss.

Interessante Möglichkeiten für Developer

Das Baurechtseigentum ist in Österreich seit 1912 durch ein eigenes schlankes Gesetz mit lediglich 20 Paragrafen geregelt – Vorbild war das deutsche Erbbaurecht, das seit 1900 im deutschen BGB zu finden war. Anfangs war der Kreis der Rechtsträger, die ein Baurecht einräumen ­konnten, noch auf öffentliche Rechtsträger beschränkt – das ist nun nicht mehr der Fall. Was jedoch geblieben ist, ist die zeitliche Beschränkung, auf die Baurecht eingeräumt werden kann: für nicht weniger als zehn und nicht mehr als hundert Jahre. Das Baurecht wird im Grundbuch einerseits in einer eigenen Baurechtseinlage und andererseits im Lastenblatt der Liegenschaft, auf der es begründet wird, eingetragen. Es kann somit hypothekarisch ­belastet werden – ein großer Vorteil für die „­bankability“ der Rechtskonstruktion. Dennoch wird Baurechtseigentum gegenüber „reinem“ Liegenschaftseigentum mit Abschlägen bewertet, und das hat verschiedene Gründe. Die Einräumung von Baurecht erlaubt für die Liegenschaftsentwicklung durchaus interessante Gestaltungsmöglichkeiten. Zwar kann Baurecht nur am gesamten Grundbuchkörper eingeräumt werden, jedoch kann die Ausübung des Baurechts vertraglich auf einen bestimmten Teil der Liegenschaft eingeschränkt werden. Somit ist es grundsätzlich möglich, dass auf ein und derselben Liegenschaft ein Objekt steht, das „liegenschaftszugehörig“, d. h. im Eigentum des Liegenschaftseigentümers ist, und daneben ein anderes Objekt, das „baurechtszugehörig“ ist und somit im Eigentum des Baurechtsberechtigten steht. Auch eine Über- bzw. Unterbauung von Objekten kann auf diese Weise bewerkstelligt werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es sich um baulich selbstständige Objekte handelt. In Österreich wird dieser Weg zuweilen beim Bau von Tiefgaragen gegangen. Ein interessanter innovativer Ansatz wurde diesbezüglich auch für die Überbauung des „Auhof­center“ in Wien mit Wohnungen, die baulich auf dem Einkaufscenter und juristisch auf einem Baurecht errichtet ­wurden, gewählt. Noch weiter gehen hier „Sandwichkonstruktionen“ – mit einander überlappenden selbstständigen Gebäuden. Diese werfen sowohl bautechnisch wie auch rechtlich schwierige Fragen auf, die sich letztlich auf die Kosten, die Finanzierbarkeit und auch die Handelbarkeit derartiger Objekte auswirken.

Auch für Bestand möglich

Baurecht kann auch an bestehenden Gebäuden begründet werden, was für den Eigentümer eine weitere Form der Verwertung seines Bauwerks eröffnet – nicht jedoch lediglich an Teilen eines ­Gebäudes. Die Einräumung des Baurechts kann sowohl entgeltlich als auch unentgeltlich erfolgen. Die Abgeltung kann in Form einer Einmalzahlung oder aber in Form wiederkehrender Zahlungen erfolgen. Rechtssicherheit bei der Einräumung von Baurecht ist auch dadurch sichergestellt, dass eine Einräumung unter auflösender Bedingung nicht zulässig ist. Die einzig erlaubte Möglichkeit der Vereinbarung einer vorzeitigen Beendigung stellt ein wenigstens zweijähriger Bauzins­zahlungsrückstand dar.

Ein Viertel des Werts muss gezahlt werden

Auch die Einräumung von Baurechtswohnungseigentum ist möglich. Diese Form des „Eigentums“ erscheint nicht zuletzt deswegen wenig befriedigend, da das Baurechtswohnungseigentum – wie das Baurecht generell – nur auf beschränkte Zeit eingeräumt werden kann, das Bauwerk nach Erlöschen dem Liegenschaftseigentümer zufällt und das Gesetz für diesen Fall keine Regelung für die Rechtsposition des (vormaligen) Baurechtswohnungseigentümers trifft. Auf entsprechende Gestaltung des Baurechtswohnungseigentumsvertrags ist somit zu achten. Ganz generell gilt für das Erlöschen des Baurechts: Das Bauwerk fällt dem Liegenschaftseigentümer zu, und ­­dieser hat dem Bauberechtigten mangels anderer Vereinbarung ein Viertel des vorhandenen Bauwerts (Baukosten für Neuerrichtung abzüglich Wertminderung aufgrund bisheriger Nutzungsdauer) zu ersetzen. Da dem Bauberechtigten aufgrund des Baurechtsgesetzes am Bauwerk die Rechte des Eigentümers zustehen, erscheint das Erfordernis verschiedener Landesbauordnungen – so zum Beispiel derer für Wien oder Niederösterreich –, im Baubewilligungsverfahren hinsichtlich des baurechtsgegenständlichen Bauwerks die Zustimmung des Liegenschaftseigentümers vorlegen zu müssen, nicht sachgerecht und übermäßig einschränkend. Dieser Umstand wie auch andere vorerwähnte Probleme verdeutlichen, dass das Baurecht – bei aller Attraktivität, die diese rechtliche Gestaltungsmöglichkeit für bestimmte Konstellationen aufweist – entgegen dem Wortlaut des Gesetzes in Wahrheit kein vollwertiges Eigentum am Baurechtsobjekt vermittelt.