Disruption alleine reicht nicht

TREND PropTech

Roland Schmid hat damit begonnen, das Grundbuch zu digitalisieren, als andere noch nicht mal ein Smartphone hatten. Mittlerweile hat seine Gruppe mehrere erfolgreiche Produkte. An eine Blase im Sinne der New Economy glaubt Schmid nicht.

Hat sich der Mitbewerb in letzter Zeit verschärft?

Roland Schmid: Definitiv ja. Überall, wo es einen freien Markt und Bedarf für ein Produkt oder eine Dienstleistung gibt, bleiben Monopole kaum auf ­lange Zeit bestehen. Das ist uns als etabliertes Pionier-Unternehmen durchwegs bewusst.Eine Intensivierung des Wettbewerbs war zu erwarten – vor allem, weil die Technologien von damals für heutige Markteinsteiger deutlich günstiger zu haben sind, und die vorhandenen Möglichkeiten senken die Markteintrittsbarrieren natürlich. Wir begrüßen das ausdrücklich. Im Rahmen unserer Vision eines vollkommen transparenten, ­lebendigen Immobilienmarkts wünschen wir uns im Sinne unserer Kunden korrekt arbeitende Konkurrenz.

Die Produkte der Roland Schmid Group sind nun schon relativ lange am Markt. Sehen Sie Ihre Firmen überhaupt als PropTech?

Definitiv. PropTech ist schließlich kein Synonym für ein Start-up in der Immobilien­branche. PropTech-Unternehmen integrieren neue digitale Technologien in ihr Geschäftsmodell und führen sie so am Immobilienmarkt ein. Auf diese Weise gestalten sie den (digitalen) Wandel der Branche aktiv mit. Auch wir haben das gemacht und sind heute tief in der Immobilienwirtschaft verwurzelt. Das liegt unter anderem daran, dass ein Kern­aspekt der Digitalisierung die Steigerung der Produktivität bzw. Effizienzsteigerung ist. Das haben wir mit der IMMOunited und der ­IMABIS GmbH bereits frühzeitig erkannt und uns mit den komplexen Thematiken Big Data und Data Mining auseinandergesetzt. Durch die Analyse und das Vernetzen aller Trans­aktions- sowie Angebotsdaten schaffen wir ­einen umfassenden Datenschatz, der mittlerweile die Grundlage für professio­nelles ­Arbeiten in der Immobilienbranche darstellt. Nicht umsonst rangieren IMABIS und IMMOunited in der IFI PropTech Studie 2017 hinter airbnb auf Platz zwei und drei der einflussreichsten PropTech-Unternehmen.

Muss ein gutes PropTech denn disruptiv sein? Reicht es nicht, bekannte Prozesse zu digitalisieren und dabei neu zu interpretieren – so wie den Grundbuchzugang zum Beispiel?

Disruption alleine reicht ganz und gar nicht. Der Begriff bedeutet schließlich Zerstörung von bestehenden Strukturen, und nicht immer müssen etablierte Geschäftsmodelle zerstört und durch neue ersetzt werden. Der Erfolg eines Unternehmens (egal ob PropTech oder nicht) hängt letztendlich von vielen Faktoren ab.

Sehen Sie anlässlich fantasievoller Prognosen, auf denen manche PropTech-Businesspläne präsentiert werden, eine Blasengefahr? Werden da nicht gerade enorme Summen bewegt? Bei aller Innovation, wiederholt sich da nicht eine New-Economy-Geschichte?

Das kommt ganz darauf an, was man unter Blase versteht. Bedauerlicherweise müssen junge Unternehmen, vor allem in der Orientierungs- bis Gründungsphase, oft illusorische Prognosen abgeben, um für Investoren interessant zu sein. Diese erwarten sich grund­sätzlich hohe Multiples, bevor sie Start-ups finanziell unterstützen. Leider führen fantasievolle Prognosen des Öfteren zu völliger Fehlkalkulation, strategischen Fehlentscheidungen und somit zum Scheitern des Projekts. Beispiele dafür gibt es genug. Geht es somit um die Überbewertung von Start-ups, gibt es durchaus eine Art „Blase“, die sich jedoch vermehrt auf private Investoren auswirkt. Da sich Start-ups heutzutage oftmals über Investments finanzieren, gibt es wirtschaftlich gesehen aber keine Blase im Sinne der New Economy, die großflächig existenz­bedrohend wäre.

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Der Mensch soll freigespielt werden

Florian Huber und Kaweh Khoshknabi glauben daran, dass die Digitalisierung die Art und Weise, wie wir in Immobilien investieren werden, verändert. Wie, verraten sie in diesem Interview.

Wie werden sich Immobilientransaktionen in Zukunft verändern?

Florian Huber: Immobiliengeschäfte sind People Business und werden auch People Business bleiben. Was sich jedoch drastisch verändern wird, ist das Umfeld, in dem Immobiliengeschäfte gemacht werden. Die Immobilienbranche lebt und denkt sehr stark in Insellösungen, die in vielen Fällen nicht kompatibel sind.

Zum Beispiel?

Florian Huber: Einen Open Immo-Standard zu haben ist notwendig, um Daten unter­einander austauschen zu können, ist aber aus technologischer Sicht weit von aktuellen Standards entfernt. Der Bedarf an modernen Schnittstellen ist gegeben oder auch an holistischen Gesamtsystemen, die verschiedenste Bereiche umklammern. Um es unter einem strategischen Aspekt auszudrücken, geht es vor allem darum, wie sich Entscheidungen von heute in Zukunft auswirken werden, und somit um eine genaue Analyse der Tools von heute. Es gilt, Weitsicht darüber zu entwickeln, welche Auswirkungen die Entwicklung von Technologien auf Immobiliengeschäfte von heute haben können.

Wird alles digital abgewickelt werden?

Kaweh Khoshknabi: Sinnhaft eingeführte Digitalisierung kann und soll auf jeden Fall dazu beitragen, Prozesse durch Automatisierung zu beschleunigen, die Wahrscheinlichkeit menschlicher Fehler, welche zwangsläufig auftreten, zu senken, und bis dato nicht mögliche Analysen und Erkenntnisse auf sich entsprechend ergebender Datenbasis zu ermöglichen. Summa summarum kann und soll sinnhaft eingeführte Digitalisierung also vor allem Zeit und Kosten sparen und neues Potenzial eröffnen. In Folge wird definitiv vieles digital abgewickelt werden – und das muss auch so passieren. Der Mensch wird im People Business Immobilien aber nach wie vor benötigt werden – und soll durch die Digitalisierung entsprechend freigespielt werden.
Hilft das Internet, den Markt zu verbessern, indem es Nachfrage und Angebot effektiver zusammenführt?
Florian Huber: Ja, definitiv. Oft wird das ­Internet damit verwechselt, dass es reicht, eine Website zu haben, über die ich erreichbar bin und mein Portfolio präsentiere oder meine Services anbiete. Das war vielleicht vor 15 Jahren der Fall. Heute hat Internet­marketing an Tiefe gewonnen, wirkt beim ersten Hinsehen komplex, führt aber bei Verständnis über die Tools ganz klar zu Wettbewerbsvorteilen und einem effektiveren Zusammenführen von Nachfrage und ­Angebot. Unsere Zielgruppe von morgen wächst ausschließlich mit dem Kommunikationskanal Internet auf. Um diese Zielgruppe in Zukunft erreichen zu können, muss ich verstehen, wie Internet­marketing funktioniert: ange­fangen bei Webseiten mit Sicherheitszertifikat und schneller Ladezeit, Keywordanalyse und Suchmaschinen­optimierung bis hin zur Etablierung von Social-Media-Kanälen, die mit brauchbaren Inhalten gefüllt werden, um ein paar Instrumente zu nennen. Auch das wird den Markt verbessern.

Welche Rolle kann eine Blockchain bei Transaktionen spielen?

Kaweh Khoshknabi: Einerseits unterliegt das Thema Blockchain derzeit einem fast schon schädlichen Hype, andererseits birgt die Technologie, abseits von Kryptowährungen, Diversestes mehr als sinnhaftes Einsatz­potenzial, insbesondere im Bezug auf die Dokumentation von Transaktionen und digitale Verbriefung von Assets. Blockchain ist keine Rocket Science – was der Hype auf schadhafte Weise vermitteln und so gar vor Implementierung ab­schrecken könnte – und dennoch oder gar deshalb sicherlich eine der Technologien der Zukunft, da sie als Ledger (digitales „Hauptbuch“) grund­legende Problemstellungen in Bezug auf digitale Transaktionen, Vertragsunterzeichnungen und dergleichen lösen und somit auch Zeit- und Kosteneinsatz eben hierfür reduzieren und zugleich die Sicherheit erhöhen kann.