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So war das nicht gedacht! Eigentlich hatten diese Immobilien ganz andere Aufgaben, die intelligente Nach- oder Zwischennutzung haucht den Objekten aber neues Kulturleben ein. Vier Beispiele, was alles geht.

1. Grandhotel Cosmopolis

Was für ein Name! Im „Grandhotel Cosmopolis“ treffen alle möglichen Menschen aufeinander, ganz wie früher in den großen Nobelhotels. Der Unterschied: Dieses Grandhotel ist ein hochspannendes Experiment, in dem vier Bereiche untergebracht sind – ein Asylhotel (Flüchtlingsunterkunft), Ateliers und Galerie, Gastronomie und Kultur sowie ein klassisches Hotel und Hostel. Die Hülle für dieses spannende Zusammenleben in Augsburg bietet ein ehemaliges Altenheim, das seit 2007 leer stand und von der Diakonie bereitgestellt wurde. Sie finanzierte auch den für das Projekt nötigen Umbau vor. So gibt es jetzt vier Zugänge, die Unterkünfte der asylsuchenden Bewohner (mit unterschiedlichem Asylstatus) sind in einem eigenständigen Trakt, zwei Außen­bereiche wurden geschaffen (Teegarten und Rosengarten). Der Hotelbetrieb wurde vor drei Jahren aufgenommen, seitdem hat das Projekt zahlreiche Preise erhalten. www.grandhotel-cosmopolis.org

2.Kunst zieht um

Das Wiener Künstlerhaus wird saniert. Nach 148 Jahren verlässt die Gesellschaft bildender Künstlerinnen und Künstler Österreichs für zwei Jahre das von ihr erbaute Künstlerhaus am Karlsplatz, damit das altehrwürdige Gebäude der längst fälligen Generalsanierung unterzogen ­werden kann. Wo aber soll der Kunstbetrieb in ­dieser Zeit stattfinden? Gut, dass es große Bestandshalter mit Kunstsinn gibt, denn das Künstlerhaus zieht im Herbst noch in ein Objekt der S Immo AG, nämlich in die Siebenbrunnengasse 19 – 21 im 5. Wiener Gemeindebezirk. Das Ausweichgebäude, das in mehreren Etappen zwischen 1914 und 1950 erbaut wurde, besteht aus vier Bauteilen und wird im Endausbau über rund 18.000 Quadratmeter oberirdische Nutz­fläche verfügen. In Zusammenarbeit mit IMMOVATE – dem verantwortlichen Partner und Experten für die Konzepterstellung und das Projektmanagement – wird die Immobilie derzeit renoviert und adaptiert. Dass diese Zwischennutzung möglich wurde, ist auch der nun endlich aktiven Leerstandsagentur „Kreative Räume Wien“ sowie der Projektkoordination für Mehrfachnutzung der MA 18 zu verdanken.

3. Kirche als Spektakel

Im Laufe des zweiten Jahrtausends entdeckte die Kunst langsam das Weltliche und wandte sich davon ab, ausschließlich kirchliche Motive zu malen. Bei dieser ungewöhnlichen Immobiliennutzung wird die Kirche wieder Teil des Kunstwerks, sie ist der Rahmen für ein Konzert, bei dem farbenprächtige Lichtprojektionen mit Zahnpasta-Barock verschmelzen, elektronische Beats in Klassik übergehen und 50 Live-Musiker die Kirchenorgel mit DJ-Sounds verweben. Erzählt werden durchaus religiöse Inhalte, halt in einer neuen Art und Weise. Zuletzt ging es um biblische Frauencharaktere. Das Format findet Anklang, im Linzer und im Klagenfurter Dom wurde bereits ebenso gespielt wie in Graz, Klosterneuburg, der Wiener Karlskirche und dem Stephansdom. Derzeit wird eine neue Show komponiert. Sie wird 2017 durch die heiligen Hallen Österreichs ziehen und erstmals auch in Deutschland zu sehen sein. www.electric-church.at

4. Krimispannung im Hauptzollamt

Gerade künstlerische Projekte wie auch Start-ups suchen temporäre Unterkünfte zur Realisierung ihrer Ideen. Auf der anderen Seite stehen Wohnungen, Lokale, Büros leer. Bloß: Wie finden die beiden zusammen? Große Bestandshalter wie die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) kümmern sich aktiv und systematisiert um den Leerstand, nicht allein aus Kostengründen, aber auch. Immerhin schlagen nicht genutzte Gebäude des 2.100 Objekte umfassenden BIG-Portfolios, die dennoch gewartet, gepflegt etc. werden müssen, mit einem einstelligen Millionenbetrag zu Buche. Zwischennutzungen gab es bereits in vielen Varianten: Im ehemaligen Hauptzollamt – nicht unbedingt ein Schmuckstück im 3. Wiener Gemeindebezirk – schickten die DJs des Clubs „Die Kantine“ House-Beats durch die zum Abbruch bestimmten Räumlichkeiten, in den Fernsehkrimis Janus, Soko Donau und Die Hölle diente es als Drehort und Kulisse. Weitere Zwischennutzungen der BIG: In einem Amtsgebäude konnte man im Popup-Store Fairtrade-Gewand einkaufen, in der ehemaligen WU wurden ebenfalls Filme gedreht, Kulturvereine werden untergebracht und zahlreiche andere Flächen dienen als zeitlich begrenzte Unterkunft für Mittel- und Wohnungslose sowie für Migranten. Vielleicht die spektakulärste Variante der Zwischennutzung: wenn die WEGA sich in leere Gebäude abseilt und in ihnen den Ernstfall trainiert.

 

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