Wer will, der kann

Die Flüchtlingsströme und die Unterkunftsfrage sorgen europaweit für hitzige, aber auch konstruktive Diskussionen. In Salzburg wurden soeben die ersten Holzhäuser für Flüchtlinge bezogen, weitere folgen. Die Baubranche präsentiert rasch umsetzbare und günstige Konzepte.

Auf- und ab-, hin- und herdiskutiert wird die Frage nach der Unterbringung von Flüchtlingen. Rund 80 Prozent der letztlich anerkannten Flüchtlinge befinden sich in Wien. Leistbarer Wohnraum in der Hauptstadt ist ohnehin knapp, deshalb versucht die Stadt nun, eine Gesetzes­novelle zur Bauordnung umzusetzen, mit der rasch temporäre Wohnbauten errichtet werden können. Das bedeutet, staatlich beauftragter Wohnraum für sechs Monate, fünf oder 15 Jahre soll künftig ohne vollständige Berücksichtigung von Bauordnung und Flächenwidmung möglich werden.

Bitte nicht hudeln!

Wienerberger entwarf Flüchtlingsunter­künfte, die kurzfristig realisierbar sind und später einmal ohne großen Aufwand als Wohnbau genützt werden können. Christian Weinhapl, Geschäftsführer Wiener­berger Österreich, dazu: „Ein Aufweichen der Bauordnungen für Bestandsgebäude – zur temporären Nutzung ­bestehender und eventuell sogar leer­stehender Gebäude – ist nachvollziehbar, im Neubau führt es aber zu Wettbewerbsverzerrungen am Markt, noch viel mehr, solange die geänderten Rahmenbedingungen nicht klar und öffentlich kommuniziert sind. Bauen und danach Entsorgen für einen Zeitraum von 15 Jahren kann nicht die adäquate Problemlösung sein und es ist zu befürchten, dass man in 15 Jahren erneut über Ausnahmen für eine ­mögliche Nachnutzung suchen wird. Wir sind überzeugt, dass trotz allem Kostendruck nachhaltiges und wertbeständiges Bauen oberste Priorität bei der Verwendung von Steuergeldern haben muss.“

Nachnutzungskonzepte gefragt

Die Fertighausbranche präsentierte unlängst einige Entwürfe für kostengünstigen und rasch zu errichtenden Wohnbau. Christian Murhammer, Geschäftsführer Fertighausverband: „Bereits 1981, bei einem Erdbeben in Neapel, bewies die Fertighausbranche ihre Schlagkraft – in nur drei Monaten Bauzeit konnten 211 schlüssel­fertige Fertighäuser in ­Forino für rund 1.000 Personen errichtet ­werden. Heute werden diese übrigens als Dauerwohnsiedlungen genutzt.“ 2009, in ­L’Aquila, wurden in ebenso ­wenigen Wochen 536 Wohnungen errichtet. Murhammer betont jedoch, dass nicht nur das Tempo bei der Errichtung von rasch benötigtem Wohnraum zählt, sondern natürlich der Fokus auch darauf liegt, dass die Bauten nachhaltig genutzt werden. Das bedeutet, die Grundrisse müssen eine flexible Nutzung ermöglichen, trotz hohem Anspruch an Ökologie und inklusive hochwertigem Konzept. Auch die Containerbauweise ermöglicht rasche Unterkünfte – jedoch gibt es aufgrund der Wohnqualität Einschränkungen (die Nachnutzung betreffend), und Container sind in der Regel teurer als die Elementbauweise. Hinsichtlich der Nachfrage ist interessant, dass gemeinnützige und gewerbliche Bauträger und auch Kommunen kaum Interesse an nachnutzbaren Gebäuden für Flüchtlinge haben, so Murhammer: „­Einiges geschieht auf Eigeninitiative von NGOs – wo natürlich geringe Errichtungskosten eine wichtige Rolle spielen und deren Geschäft es auch einfach nicht ist, nach der Erstnutzung Wohnungen zu vermieten oder Studentenheime zu betreiben.“

40.000 bis 50.000 Wohnungen fehlen

„Aktuelle Herausforderungen der Flüchtlingsfrage erfordern europäische ­Lösungen“, war das Thema der ­Aktuellen Europastunde. Zum zweiten Mal ­nützten österreichische EU-Abgeordnete die Ge­legen­­heit, vor dem Nationalrat zu sprechen. Parteiübergreifend war man sich da­rüber einig, dass Hilfsmaßnahmen finan­zieller und diplomatischer Natur in den be­treffenden Krisenregionen gesetzt ­werden müssen. Die EU hat die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit aufgestockt, und auch Österreich wird sich an diesen internationalen Maßnahmen beteiligen. Hierzulande wurden Quoten für die Schaffung von Asylquartieren eingeführt – die jedoch nicht alle Bundesländer erfüllen. Der aktuelle Flüchtlingsstrom bringt enorme Herausforderungen im Wohnbereich mit sich. „Neben den Notquartieren für Transitflüchtlinge und den Low-cost-Unter­künften für Asylwerber werden aktuell für 40.000 bis 50.000 anerkannte Flüchtlinge Wohnungen gebraucht“, erläuterte Asylkoordinator Christian Konrad im Rahmen einer Veranstaltung der „Arge Eigen­heim“ in der Industriellenvereinigung. Der ehemalige Raiffeisen-General zeigte sich überzeugt, dass die mit dem Flüchtlingsstrom verbundenen Probleme lösbar sind. An die Regierung gerichtet meinte er: „Wer will, der kann. Ich hoffe, sie wollen.“

Vorzeigeprojekt Seekirchen

Nach knapp neunwöchiger Bauzeit wurden Ende November in Seekirchen im Flachgau und in Tamsweg im Lungau die neuen Holzhäuser des Salzburger Roten Kreuzes fertiggestellt. Die dreistöckigen Holzbauten bieten in jeder der beiden Gemeinden in Zukunft 76 Personen Platz und stellen eine sinnvolle Alternative zu Containerdörfern dar. Die vom Roten Kreuz, Landesverband Salzburg, in Auftrag gegebenen Häuser wurden von Architektin Melanie Karbasch gemeinsam mit Meiberger Holzbau aus Lofer ent­wickelt und von Meiberger und anderen Salzburger Unternehmen errichtet. Die Bewohner versorgen sich selbst, werden jedoch von einem Mitarbeiter rund um die Uhr betreut. Die Wohnanlagen sind zwar nicht besonders groß – die Kleinwohneinheiten für jeweils vier Personen mit zirka 35 Quadratmetern wirken aber durchaus großzügig. Jede Kleinwohnung verfügt über einen separaten Eingang, einen Aufenthaltsraum mit kleiner Küchenzeile samt Kühlschrank, Herd, Abwasch und Backofen. Die Zimmer – jeweils für zwei Personen – sind 8,4 Quadratmeter groß, dazu gibt es eine Nasszelle mit Dusche, WC und Waschbecken. Geschirr, Tuchenten und Decken wurden von Freiwilligen aus Seekirchen gespendet. „Die Kosten bei der dreigeschossigen Variante sind in etwa gleich hoch wie bei einer Container­anlage – doch als Wohnraum ein großer Unterschied“, erläutert Karbasch.

Wertschöpfung bleibt

Die Häuser sind zudem mit einem Seminarraum, Aufenthaltsräumen für Mitarbeiter und einem Wäsche- und Trockenraum ausgestattet. Beim Bau ist die Wertschöpfung auch zu großen Teilen im Bundesland geblieben. Nahezu alle Gewerke wurden durch Salzburger Betriebe ausgeführt. Für die beiden Wohnanlagen in Seekirchen und Tamsweg hat das Rote Kreuz Salzburg einen Kredit in der Höhe von rund zwei Millionen Euro aufgenommen. Refinanziert werden die Holzhäuser über den Tagsatz für Asylwerber aus der Grundversorgung. Dieser beträgt 19 Euro pro Asylwerber, abzüglich 6,50 Euro für das Essen. Das Land hat ein Vorkaufsrecht für die Häuser, die leicht zerlegt und wieder aufgebaut werden können. In Saalfelden soll eventuell ein Quartier für 150 bis 170 Bewohner entstehen, in der Stadt Salzburg werden sechs ­Häuser für 240 Flüchtlinge und in Hallwang zwei Häuser für 76 Flüchtlinge gebaut. Die Demontier­barkeit und elementierte Zerleg­barkeit war eine wesentliche Vorgabe in der Aufgabenstellung. So können diese einmal im Katastrophenschutz eingesetzt werden.
Auch Vorarlberg engagiert sich für die Unterbringung von Flüchtlingen, rund 3.000 Asylwerber werden erwartet. Bei einer Anerkennungsquote von 40 Prozent werden über 1.000 Flüchtlinge im Land bleiben – was Auswirkungen auf den Arbeits- und den Wohnungsmarkt haben wird. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner will ebenso ein Wohnbaukonzept mit kleineren, sehr günstigen Wohnungen. Seine Idee: Diese Wohnungen sollen von Beginn an als Sozialwohnungen deklariert werden, ein Weg, der auch dem Wunsch nach mehr leistbarem Wohnraum entgegenkommt.

 

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