China liebt Österreich

Dass Chinesen im Tischtennis weltweit das Sagen haben, ist bekannt. Dass sie auch gern reisen und dabei Investments tätigen, ist eine relativ junge Entwicklung. Viele Bewohner des fernen Landes entdecken langsam ihre Begeisterung für Österreichs Immobilien.

„Einfach ist es nicht, aber einfach ­anders“, schmunzelt Wolfgang Poppe, Geschäftsführer von Vasko+Partner, auf die Frage, wie es denn beim Planen und Bauen mit chinesischen Bauherren so läuft. „Wir haben ­einige Zeit gebraucht, bis wir die kulturellen Unterschiede verstanden haben, doch jetzt läuft es sehr gut.“ Auf einem Grundstück von rund 15.000 Quadrat­metern im 19. Bezirk in Wien entsteht die neue Repräsentanz der chinesischen UN-Botschaft. Planen und bauen zwischen Alt und Neu ist dabei – neben dem exotischen Bauherrn – die spannende Herausforderung. Vasko+Partner ist als Generalkonsulent in Zusammenarbeit mit Architekt Rudolf Guttmann mit den umfassenden Planungsaufgaben beauftragt. Der Bauherr ist die ständige Vertretung der Volksrepublik China bei der UNO. Das Bauvorhaben besteht aus zwei Teilen, einerseits wird der Altbau, ein ehemaliges unter Denkmalschutz stehendes Kinderheim, zum Verwaltungs- und Repräsentationsbau umfassend adaptiert. Im nördlichen Bereich des Areals soll, als Ergänzung zum Umbauprojekt, ein Apartmentgebäude mit insgesamt 21 Einheiten für die Angestellten der Botschaft ­errichtet werden. Eindeutige Besonderheit ist jedoch für Christian Schwarz, Projektleiter Vasko+Partner, die Tatsache, „dass man ja nicht oft eine Botschaft für den bevölkerungsreichsten Staat der Welt plant“. Und schon ist man mitten im Thema, einer­seits plant man nur ein Haus, andererseits geht es um globale Entwicklungen. Zukunftsforscher Stephan Sigrist, Leiter W.I.R.E., Zürich, provozierte jüngst in einem Vortrag die Bauwirtschaft mit der Frage, was Energieplus-Gebäude helfen, wenn immer mehr Menschen erkranken, psychische Probleme bekommen, unter Allergien ­leiden, ins Burnout flüchten? Wem hilft ein gerettetes Klima, wenn wir es gar nicht mehr genießen können?

Europa: Computer aus, Hirn an!

„China wird die USA überholen und bis 2030 die Weltmacht werden – das ist ein Fakt und nicht wegzudiskutieren. Europa muss seine Vorteile forcieren: Qualität statt Quantität, Handwerkskunst statt industrieller Fertigung, Ausbildung statt Halbbildung. Und auf diesem Weg: Computer aus, Hirn an“, meint der Schweizer Sigrist. „Amerikanische und chinesische Investoren waren 2015 auf dem europäischen Markt sehr aktiv“, berichtet Marcus Lemli vom Immobilien­dienstleister Savills. Chinesische Anleger diversifizierten ihre ­Investments angesichts der Volatilität an den chinesischen Aktien-, Immobilien- und Währungsmärkten verstärkt. Sie haben 2015 trotz der Yuan-Abwertung bereits 3,4 Milliarden Euro in den europäischen Immobilienmarkt investiert – das waren um 58 Prozent mehr als im Gesamtjahr 2014. Chinesen und Koreaner interessieren sich immer stärker für österreichische Büros, Einzelhandelsimmobilien und Hotels. Aktuell ihre Eigentümer wechselten u. a. das Rivergate, Wien Mitte, der Millennium Tower und die Millennium City. Franz Pöltl, Geschäftsführer bei EHL Investment Consulting, begleitete den Kauf des Millennium Towers. Für Pöltl ist es eine spannende Zeit, die Deals werden meist über global agierende Assetmanager für asiatische Investoren abgeschlossen, die quasi die Vorarbeit leisten und die Immo­bilien und den Markt aufbereiten. Was bedeutet das chinesische Investment für Österreich? Wirken sich die kulturellen Unterschiede aufs Geschäft aus? „Nein, ich würde zwischen den Nationen nicht differenzieren. Aber die zusätzliche Nachfrage treibt die Preise, damit wird der Markt belebt. Was aber bei Betrachtung der internationalen Investments deutlich wird, ist, dass der österreichische Markt plötzlich ein globaler Markt ist, Geld kommt von überall auf der Welt.“ Doch auf eine Frage zeigt sich Pöltl gänzlich unromantisch: „Es geht um ganz profane Investmentmotive wie Rendite, Risikostreuung und regionale Streuung – eine besondere Leidenschaft mit Österreich würde ich damit nicht verbinden. Investiert wird, wo ein guter Ertrag erwartet wird.“

Büros und Zinshäuser

Andreas Ridder, CBRE, berichtet hin­gegen von aktuell eher zurückhaltendem Interesse: „Bis jetzt waren chinesische Investoren in Österreich noch nicht sehr aktiv. Der einzige Ankauf, den wir für 2015 haben, ist die Beteiligung durch ­Ginko Tree am Projekt Rivergate in Wien. Die Beteiligung beträgt 50 Prozent, somit ca. 95 Millionen Euro. Bei 3,8 Milliarden Euro Transaktionsvolumen sind dies ­lediglich 2,5 Prozent.“ Die einzige ­sonstige ­asiatische Beteiligung gibt es bei Wien Mitte. Bei einem Anteil von ebenfalls 50 Prozent würden 2015 ca. 9 Prozent der Investments auf asiatische Investoren entfallen. „Einige chinesische Investoren sind derzeit eher zurückhaltend – vor ­allem CIC, Ginko Tree und Fosun. Das liegt einerseits an den Ereignissen an den asiatischen Börsen, aber ­teilweise auch an internen Themen wie dem ­Wechsel des CEO oder Ähnlichem. Die Kollegen aus London meinen, dass die chinesischen Investoren wieder kommen werden. Klar ist, dass andere asiatische Investoren sehr stark an Wien interessiert sind, und hier erwarten wir auch den einen oder anderen Deal dieses Jahr“, so Ridder. Er ist davon überzeugt, dass das Investitions­interesse aus China an Europa weiter steigen wird.
Markus Arnold von Arnold Immobilien hat vor wenigen Wochen einen Deal in Prag mit Chinesen abgeschlossen. Gekauft wurde eine Luxusimmobilie direkt am Wenzelsplatz. „Die Ausgangslage war nicht einfach, da die Liegenschaft schon länger am Markt verfügbar war“, verrät Arnold. „Umso mehr hat es uns gefreut, dass wir unsere chinesischen Verhandlungspartner von der Transaktion überzeugen konnten.“ Arnold beschreibt seine chinesischen Kunden als hochprofessionell, über die herrschende Marktsituation bestens informiert und auf der Suche nach sehr attraktiven Liegenschaften in absoluten Top-Lagen.

Handel mit China
China ist der fünftgrößte Handelspartner Österreichs. Vor wenigen Wochen hat auch die Bank of China ihre erste Niederlassung in Österreich eröffnet. Die Bank of China ist eine der vier großen staatlichen Banken Chinas und positioniert sich in Österreich langfristig als Plattform, die einerseits heimischen Unternehmen den Markteintritt in China erleichtern soll und andererseits chinesische Investoren unterstützt, verstärkt in den österreichischen Markt zu investieren. Staatssekretär Harald Mahrer will bis 2020 das Handelsvolumen auf 20  Milliarden Euro verdoppeln. Und wenn’s nicht Immobilien sind, bleiben immer noch Investments in Mobilien, denn auch das Zuggeschäft reizt China – die ÖBB als auch die chinesischen Staatsbahnen sind an einer Zusammenarbeit interessiert.
Umgekehrt ist das Interesse in China, seit das Land der Mitte die ­Bestimmungen für Auslandsinvestitionen gelockert hat, an Investitionen im Westen massiv ge­stiegen – im Fokus haben die Investoren Deutschland, England, Frankreich und Österreich, aber auch andere europäische Länder. ­Chinesische Beteiligungen gibt es mittler­weile unter anderem an Steyr Motors, Rosenberger, Huber Tricot und Palfinger. Die neuge­gründete Asiatische Infrastruktur-­Investitionsbank, AIIB, unter­stützt die Bemühungen. 57 ­Staaten sind neben Österreich Gründungs­mit­glieder der AIIB. Das Kapital der Bank beträgt rund 91  Milliarden Euro.

Alle wollen Hotels

Bei Chinesen als Asset­klasse besonders beliebt sind Hotels – wie derzeit eh bei jedem. Die Über­nahme der Starwood-­Gruppe ­scheinen sie zwar versemmelt zu haben, ­einzelne Hotelentwicklungen sorgen dennoch weiter für Aufregung. Etwa der Markteintritt des Giganten New Century in Deutschland, er bastelt an seinem ersten Hotel bei Offenbach, gleich neben Frankfurt. Auch Österreich steht am Plan der Asiaten: Die ebenfalls chinesische ­Plateno Hotels Group ist eine der ­führenden Hotelbetreibergesellschaften aus dem Reich der Mitte (betreibt 3.000 Hotels in China und neun anderen Ländern) und hat im März dieses Jahres ein Hotel in Linz und eines in Salzburg gepachtet. Beide haben um die 100 Zimmer und werden unter der Budget-Marke 7 Days Premium geführt. „Bei beiden Betrieben handelt es sich um moderne und profitable Budget-Hotels an nachfragestarken Standorten. Zudem befindet sich sowohl die Immobilie bei Linz als auch die bei Salzburg in einem guten Zustand. Also ideale Voraussetzungen für einen Newcomer im Markt“, erklärt Lukas Hochedlinger, Managing Director ­Germany, Austria & CEE bei Christie & Co.
Mit einem anderen Betreiber­konzept ist die Gruppe bereits in den Alpen ver­treten. Der Berggasthof steht auf der ­Kuppe der Gerlitzen. Das ­simple Wirtshaus wurde gemeinsam mit dem Salzburger Hotelexperten Walter Junger zum Kunst- und Lifestyle-Hotel umgebaut und hat sich ganz der Zahl 12 ver­schrieben. Das an der 12. Kehre der Alpenstraße und damit direkt an der Ski­piste gelegene Hotel empfängt seine Gäste in 12 Zimmern und Suiten, die von 12 inter­nationalen Künstlern dreier Kontinente von Beijing bis New York individuell gestaltet ­wurden. Jeder Raum im hotel12 erzählt eine andere Geschichte, und doch haben alle 12 Zimmer und Suiten eines gemeinsam: Statt der üblichen Zimmernummer trägt jede Tür das Symbol eines der 12 chinesischen Tierkreiszeichen – kreiert von einem der 12 Künstler. Entstanden sind beispielsweise die auf Folie gedruckte Ratte vom Österreicher Robert Roubin und das Bild eines Schafes von Rupert Gredler, welches mit Schafswolle umgeben ist. Die Chinesin Xie Aige war für die Gestaltung des Tierkreiszeichens Hahn verantwortlich und hat sich für eine Resin-Skulptur entschieden, die sich an der Tür einer der beiden Panorama-Suiten befindet. Diese Suiten überzeugen mit einer frei­stehenden Badewanne, offenem Kamin und einer privaten Terrasse.




Dieses Mixed-Use-Projekt in Dalian, einer Stadt mit 3,3 Millionen Einwohnern, wird gerade realisiert. Durch seine Architektur (aus österreichischer Hand) hebt es sich vom Einheitsbrei ab und stiftet Identität.

Dieses Mixed-Use-Projekt in Dalian, einer Stadt mit 3,3 Millionen Einwohnern, wird gerade realisiert. Durch seine Architektur (aus österreichischer Hand) hebt es sich vom Einheitsbrei ab und stiftet Identität.

Der österreichische Architekt Wolfgang Reicht hat den Mega-Markt China schon lange entdeckt. Erst bearbeitete er den Markt für Coop Himmelb(l)au, vor drei Jahren hat sich der Steirer mit seinem Büro Wolf Reicht Architects selbstständig gemacht.

Merken Sie eine Wirtschaftskrise in China?

Wolfgang Reicht: Die großen Museen, Flughäfen, Opernhäuser und Stadien sind fast alle gebaut. Der Bau­boom der letzten zehn Jahre entschleunigt sich, und das hat natürlich Auswirkungen. Allerdings werden die Städte in China weiter­hin wachsen. Die Urbanisierung schreitet voran, man rechnet mit einem Zuwachs an Städtern um 20 Prozent in den nächsten 10 bis 15 Jahren. Wir reden hier von rund 250 Millionen Menschen, für die neuer Wohnraum und Arbeitsplätze geschaffen werden müssen.

Bauen Chinesen ihre Gewerbe­immo­bilien anders?Haben sie andere Vorstellungen oder Wünsche als wir in Europa?

Wolfgang Reicht: Die Einheitsarchitektur führte zu anonymen Stadtteilen, es fehlt an Identifizierbarkeit, an Echtem im Gegensatz zur blutleeren Kopie. Man hat dieses Problem erkannt und schätzt mittlerweile den Mehrwert guter Architektur.

Stichwort Plagiat – drehen wir den Spieß mal um. Was können wir uns von den Chinesen abschauen?

Wolfgang Reicht: Man traut jungen Büros mehr zu als hierzulande. Ich bin ein gutes Beispiel dafür. Trotz 20 Jahren an Berufserfahrung und vieler Auszeichnungen für Projekte, für die man als Projektleiter tätig war, startet man in Österreich mit der eigenen Selbstständigkeit wieder bei null. Man darf nicht an Wettbewerben teilnehmen, da einem die geforderten gebauten Referenzobjekte und Jahresumsätze fehlen usw. Ganz anders in China: Der erste Auftrag war ein Hochhauskomplex, in den letzten drei Jahren wurden wir mit der Planung von insgesamt einer Million Quadratmeter Geschoß­fläche betraut. Das entspricht einem Drittel der Fläche der Wiener Innenstadt. Das wäre in Wien unmöglich.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Asiaten in der Praxis aus?

Wolfgang Reicht: Die Anfangsphase dauert erfahrungsgemäß länger. Bevor man einen Vertrag abschließt, baut man eine zwischenmenschliche Beziehung auf. Man tauscht Ideen aus, man nähert sich langsam dem eigentlichen Geschäfts­inhalt. Diskutiert wird nicht am Besprechungstisch, sondern bei einem guten Essen. Dafür länger und durchaus intensiv. Dafür fällt der Prozess der Entscheidungsfindung danach kürzer aus.

Signature Buildings: Muss es immer höher, größer, spektakulärer sein?

Wolfgang Reicht: Natürlich nicht. Es geht um Beschreibbarkeit, Identifizierbarkeit, Eigenständigkeit und Wiedererkennbarkeit. Eigenschaften, die nicht zwangsläufig mit Größe in Verbindung zu bringen sind.

Neben China haben Sie jetzt auch in Indien, südlich von Mumbai, einen Wohnbau mit 1.150 Einheiten geplant. Und jetzt wollen Sie zusätzlich auch noch geförderten Wohnbau in Österreich planen. Warum das?

Wolfgang Reicht: Ich sehe Wohnbau als eines der zentralen Themen der Architektur. Die Art und Weise, wie wir zusammenleben, sagt viel über die Kultur einer Gesellschaft aus. Man kann sich hinter Burgen und Festungen ver­schanzen oder offene Räume schaffen, die eine Kultur des Miteinanders zulassen. Leistbares Wohnen und soziale Gerechtigkeit sind viel­strapazierte Begriffe unserer Zeit. Der Wohnbau steht vor großen Herausforderungen, die es zu meistern gilt.

 

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