Das geht doch besser!
Lieber hätten wir, dass alles gleich bleibt. Bleibt’s aber nicht, und es kommt noch perfider: Wir können die Veränderung immer schwerer abschätzen. Woher kommt die Konkurrenz? Von 3-D-Druckern, von Programmier-Freaks, von selbstbestimmten Baugruppen? Und was bringt der technologische Wandel?
Allein seit der Einführung des iPhone – das war erst 2007 – überschlagen sich die Dinge. Da braucht man nur einen Blick auf die Immobilien-Suchplattformen zu werfen. Immer mehr von ihnen gibt es, das bringt dem Suchenden genauso wenig wie dem Makler. Während die Anbieter durch Verdrängung um ihren Platz kämpfen, schmeißen zwei Programmierer unabhängig voneinander mit immmo.at und immosuchmaschine.at zwei sehr brauchbare Meta-Suchportale auf den Markt. Die Konkurrenz kommt von der Seite. „Airbnb ist wohl das Brutalste, was Hotelstrategen in den letzten 30 Jahren am Tisch hatten“, meint Hannes Horvath, der seit Anfang September mit der Marke HAND als selbstständiger Entwickler tätig ist. RE/MAX Austria Chef Alois Reikersdorfer stimmt Horvath bei einem Round Table zu dem Thema zu: „Die Immobilienwirtschaft bzw. die Makler sind sich nicht bewusst, dass ihr Mitbewerb nicht die Kollegen sind, sondern von ganz woanders herkommt.“ Vor Veränderung hat Reikersdorfer keine Angst, im Gegenteil. Als einer der wenigen traut er sich, das Provisionssystem anzugreifen. „Es heißt immer, die Abgeber würden bei Mietwohnungen keine Provision zahlen und daher muss ausschließlich der Mieter für sie aufkommen. Stimmt nicht, wir haben es mit unseren FairMietWohnservice-Paketen geschafft, dass auch Vermieter unsere Dienstleistungen entsprechend honorieren, das klappt schon zu einem hohen Prozentsatz sehr gut. Die allgemeine Tendenz zur Nur-Abgeber-Provision fehlt mir persönlich in Österreich. Es heißt immer, die Doppelvertretung bringe auch Vorteile. Ja klar, je nachdem, wie sich der Markt dreht, hat der Makler Vorteile, keine Frage“, so Reikersdorfer selbstkritisch.
Intransparenz hemmt Innovation
Veränderungen passieren. Besser dran ist, wer sie mitgestaltet. Früher oder später muss da auch die Immobilienbranche mit. Derzeit will sie von einem Wandel aber noch wenig wissen. „Ich kenne keinen Wirtschaftszweig, der so konservativ und innovationsfeindlich ist wie die Immobilienwirtschaft“, ätzt Peter Prischl vom Berater RealityConsult. Eine Studie an der IREBS (Universität Regensburg, im Auftrag von Deloitte) gibt ihm recht und erklärt die unterdurchschnittliche Innovationskraft der Branche so: „Innovationen werden typischerweise durch verschiedene Faktoren begünstigt. So ist z. B. die Transparenz der Märkte ein wichtiger Treiber für die Innovationskraft einer Branche. […] Jedoch ist der Immobilienmarkt traditionell eher intransparent. Gerade in einer eher kleinteiligen und heterogenen Marktstruktur dient Intransparenz als Konkurrenzblocker und damit auch als Innovationsblocker.“ Hinzu kommt, dass Österreich ohnehin nicht für extremen Fortschrittsmut bekannt ist. Im globalen Innovationsindex (herausgegeben von der Cornell University, INSEAD und der World Intellectual Property Organization) fiel die Alpenrepublik 2014 von Platz 27 auf Rang Nummer 98 zurück. Angeführt wird der Index übrigens von der zwar ebenfalls konservativen, aber eben anscheinend doch mutigeren Schweiz.
Wozu das Ganze?
Aber was bringt die Immobilien-Innovation denn? Zweierlei: Erstens profitieren Konsumenten, Bewohner, Städte etc. von effizienten, umweltschonenden, modernen Produkten und Dienstleistungen. Weil die Immobilienwirtschaft einer der einflussreichsten Wirtschaftszweige ist, ist sie auch für den gesellschaftlichen Wandel mitverantwortlich. Zweitens sollten zumindest die Unternehmenschefs die wirtschaftliche Komponente von Innovation erkennen. Sie trägt zur Weiterentwicklung von Unternehmen bei, um nicht zu sagen: Wer in Zukunft nicht innovativ und flexibel genug ist, könnte gar keinen Geschäftserfolg mehr haben. Ökonomisch gesehen ist Innovation der Transfer von Wissen in Cashflow. Erste Beispiele für neue Geschäftsmodelle gibt es bereits. IG Immobilien und die Erste Group Immorent waren die Ersten, die eine All-inclusive-Miete eingeführt haben (IG im Wohnbereich, Erste Group Immorent für Büros). Die Mieter zahlen keine gesonderten Betriebskosten mehr, sondern eine auf mehrere Jahre garantierte Gesamtmiete. Mittlerweile fordern auch schon vorausschauende Mieter wie z. B. die spanische Bank Santander ein, die objektbezogenen Gesamtkosten zu kennen.
Furnirent bietet Hotels an, ihre Einrichtung zu leasen, und Drees & Sommer will Leasing sogar auf die für Immobilien notwendigen Rohstoffe übertragen. Denn diese könnten immer wieder in gleichwertiger Qualität für neue Produkte aufbereitet werden und in Verbindung mit der steigenden Nachfrage, die insbesondere durch die stark wachsende Mittelschicht in den Schwellenländern entsteht, kann langfristig für viele Rohstoffe von einer überinflationären Preisentwicklung ausgegangen werden. Die Immobilie wird somit zum Rohstofflager, dessen Wert kontinuierlich steigt (Drees & Sommer geht von Steigerungen bis zu 10 Prozent in Relation zu konventionellen Gebäuden aus). Die Geschäftsidee: Hersteller nehmen die Rohstoffe am Ende der Nutzungszeit wieder zurück (z. B. beim Mieterwechsel und dem damit verbundenen Austausch des Innenausbaus) und sichern sich hochwertige Materialien zu kalkulierbaren Preisen. Gleichzeitig sind sie für die sortenreine Trennung und Aufbereitung am Ende der Nutzungszeit verantwortlich. Der Immobilienbesitzer spart sich die Entsorgung von Sondermüll, auch seine Anfangsinvestitionen werden geringer.
Jung und fordernd
Innovation wird bei den Nachwuchskräften weltweit zu 78 Prozent als entscheidend für den geschäftlichen Erfolg und das Wachstum von Unternehmen angesehen, sagt die Deloitte Millenial Survey 2015, eine Umfrage unter knapp 8.000 internationalen Nachwuchs-Fachkräften. Die würden kaum für ein Unternehmen arbeiten wollen, das langweilig im eigenen Saft dahinvegetiert. „Wir haben uns, um unser Bauchgefühl zu bestätigen, ausrechnen lassen, wer in ein paar Jahren die Entscheidungsträger sein werden“, erzählt Gregor Drexler, Leiter Asset Management bei der CA IMMO AG. „Derzeit sind es noch die Babyboomer. Die brechen jetzt aber nach und nach weg und die Generation X folgt nach.“ Solche Arbeitskräfte wollen nicht nur attraktive Arbeitgeber, sondern auch entsprechende (Frei-)Räume.
Die CA IMMO AG will in Frankfurt zum ersten Mal ein ganz eigenes Tower-Konzept realisieren, Wien, München und Mainz sollen folgen. Die Neuerungen in Frankfurt: Um nicht einen Großmieter einkaufen zu müssen, aber dennoch mit einer Vorverwertung starten zu können, setzt man auf eine Mischnutzung aus Hotel und Büro. Die Hotelnachfrage ist nämlich noch hoch genug. Zweitens glaubt Gregor Drexler, dass viele Unternehmen in Zukunft erkennen werden, dass sie ihre Besprechungsräume ineffizient nutzen – aber permanent dafür zahlen. Im Frankfurter Projekt „Tower One“ plant die CA IMMO AG daher selbst zwei Geschoße mit flexiblen Meeting-Lösungen anzubieten, die von allen Mietern des Gebäudes genutzt werden können. Wer etwa einen Wirtschaftsprüfer oder ein Projektteam auf Zeit unterzubringen hat, mietet einfach ein paar Räume für den entsprechenden Zeitraum dazu. Zum ersten Mal sollen auch kleinteiligere Büroflächen angeboten werden, damit nicht nur Großkonzerne, sondern auch KMUs in dem Turm sitzen. Die 3.000 Menschen will Drexler über ein eigenes „Community-Tool“ vernetzen, „damit sie gemeinsam Rad fahren, Yoga machen oder sich überhaupt erst kennenlernen können“, erzählt er und fährt gleich fort, um zu seinem Lieblingspunkt zu kommen: der Lobby. Sie ist das „Herz und Hirn“ des neuen Towers. Statt einer riesigleeren Halle im Erdgeschoß, in der sich eine Rezeption, eine Blumenvase und eine Rolf-Benz-Couch verlieren, sieht das neue Konzept eine lebendige, urbane Mischung vor. Hier treffen Büromieter ihre Kunden, setzen sich Manager kurz mal mit dem Laptop hin, daneben checken die Hotelgäste ein, auf einer halböffentlichen Ebene wird in „Kaffeehausatmosphäre“ Business gemacht. In etwas kleinerem Maßstab wird dieses Konzept von der CA Immo im Büroprojekt VIE an der Erdberger Lände in Wien bereits ab Frühjahr 2016 umgesetzt. Unweit von dort, nämlich in TownTown, erfolgte im Sommer der Spatenstich für den ORBI Tower. Er ist ebenso ein Beispiel, wie ein Megatrend – nämlich die Neuen Arbeitswelten – zu Innovation führen kann.
Neues Arbeiten als Impulsgeber
„Mit dem ORBI Tower schaffen wir alle Rahmenbedingungen, um dem New Way of Work gerecht zu werden“, erzählt Ernst Machart, Vorstandsvorsitzender des Investors IWS TownTown AG. Laut dem Experten für Neue Arbeitswelten, Michael Bartz von der IMC Fachhochschule Krems, seien vorrangig Softfaktoren wie Behaglichkeit und das Wohlfühlen der Nutzer wichtig, damit eine Produktivitätssteigerung von 10 bis 15 Prozent erreicht werden kann. Weitere Basis sei die technische Infrastruktur. „Wir haben bei dem Turm das WLAN simuliert, um sicherzugehen, dass es auch wirklich in allen Ecken voll funktionstauglich ist“, so Bartz, der versichert, dass man selbst im Aufzug Videotelefonieren können wird. Ansonsten setzt das Gebäude in seinem Konzept ganz auf höchste Flexibilität bei den Bürolayouts, selbst während der Nutzungsphase. Ein Coworking-Space-Partner für 3.000 bis 4.000 Quadratmeter werde derzeit gerade an Bord geholt, um – ähnlich wie beim Tower One – zusätzliche Meetingmöglichkeiten und Arbeitsplätze parat zu haben und auch Kleinunternehmen ansprechen zu können. Wer hinter manchen Trend blickt, wird also in der Tat auch schon erste zarte Pflänzchen an Innovation in der Immobilienwirtschaft entdecken. Bereiche wie Baustoffe punkten hier besonders, auch die Architektur schafft es, kreative Lösungen für alte Probleme zu finden. Der Großteil muss aber erst lernen, seine Kultur auf Zukunft und Innovation umzustellen. Stetig bleibt nur der Wandel, wir werden künftig öfters überrascht werden als früher. Wer hätte schon damit gerechnet, dass es fetzige Elektroautos wie von Tesla geben wird. Und dass die gleiche Firma jetzt mit Tesla Wall plötzlich die Haustechnik-Planung durcheinanderbringt?
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