Äpfel & Birnen

Unterschiedliche Standards, wie die Fläche eines Gebäudes gemessen wird, führen zu babylonischen Ergebnissen. Nun wird an einem weltweiten Standard (IPM) gearbeitet, Experten bezweifeln allerdings, dass er sich durchsetzt.

Da werden in der Immobilienwirtschaft aberwitzig viele Milliarden Euro ver­schoben, und dann das: Herr und Frau Investmentmanager wissen nicht immer genau, wie viele Quadratmeter sie denn da (ver)kaufen. Schon vor Jahren hat eine Studie der DEKRA aufgedeckt, dass 80 Prozent der Flächenangaben falsch seien. Die Folge sind falsch berechnete Trans­aktionen, falsche Mietpreise und ebensolche Betriebskosten.

Kuriose Ergebnisse

Die Gründe für diese Ungenauigkeit: Pläne und gebaute Realität stimmen nicht immer überein, bei Bestand und Umnutzungen wird nicht ordentlich (nach)vermessen und es gibt – in der scheinbar so professionellen Immobilienbranche – eine Reihe an unterschiedlichen Standards, wie man denn eine Fläche definiert. Das führt lokal und global mitunter zu kuriosen Ergebnissen: Das Empire State Building in New York weist offiziell eine Nutzfläche von 208.000 Quadratmetern auf, während dasselbe Gebäude in anderen Ländern, darunter auch in Deutschland oder Öster­reich, „kleiner“ wäre. Dies liegt daran, dass während in den USA selbst die für ein Hochhaus üblichen Stützen dazugerechnet werden, beispielsweise in Großbritannien und vielen asiatischen Ländern dagegen nicht einmal Toiletten, Teeküchen und Lagerräume als Nutzfläche im engeren Sinne mitgerechnet werden. Je nach Standort und Messstandard kann die Fläche eines Büros schnell einmal um 20 Prozent oder sogar mehr differieren, wie von M.O.O.CON durchgeführte Flächenberechnungen an Projekten, die mit verschiedenen Flächenstandardsystemen (GIF, BOMA, RICS, BACS, EN, DIN, ÖNORM) verglichen wurden, belegen. Dabei sollte alles globaler werden, denn weltweit tätige Unternehmen suchen von Shanghai über Wien bis New York Büroflächen, die sie hinsichtlich ihrer Performance, Kosten (gerade Mietpreise!), Servicierung etc. direkt miteinander vergleichen können wollen. Aufgrund der in den einzelnen Regionen üblichen Begriffe und Normierungen beginnt aber das Problem bereits an unterschiedlich erfassten und organisierten Daten, die wortgleichen Begriffen unterschiedliche Bedeutungen zuordnen. Flächen und Mietpreise sind demnach nur dann zuverlässig zu ver­gleichen, wenn diese nach einer weltweit einheitlich angewendeten Prozedur bestimmt würden. Ansonsten sind viel Hirnschmalz und Hypothesen vonnöten, um mithilfe von korrigierenden Faktoren eine mehr oder weniger zuverlässige Vergleichbarkeit zu konstruieren. Die Belastbarkeit solcher Vergleiche bleibt begrenzt. Ein Lichtblick: Ende 2014 hat die International Property Measurement Standards Coalition (IPMSC – ein weltweiter Zusammenschluss einflussreicher Immobilienverbände) einen Leitfaden mit Mess-Standards für Bürogebäude mit dem deklarierten Ziel herausgebracht, mehr Transparenz zu schaffen und das Vertrauen zwischen Immobilien­investoren und Nutzern zu stärken. Der ­Standard wird aber auch kritisch ge­sehen (siehe Kasten), und am Ende bleibt abzuwarten, ob dann jeder den Standard auch verwendet. Die Österreicher haben sich bislang nämlich recht erfolgreich gegen internationale Vereinheitlichungen gewehrt. Sie kochen lieber ihr eigenes Normungssüppchen.

Stärken der IPM-Standards
1 Das System besticht vor allem dadurch, dass es ohne Ausnahme für alle neu ist und damit sozusagen ein „neutrales“ System darstellt, bei welchem kein Land oder keine Region in den Verdacht geraten würde, sich auf Kosten anderer Regionen durchzusetzen. Dafür zeugen auch die 58 Immobilien­verbände und -organisationen, die dem System ihre Unterstützung zugesagt haben. Würden mittel- bis langfristig alle Regionen und Player mit diesen Begriffen operieren, würde die Welt im Bereich des Vergleichs von Immobilienflächen und deren Performances tatsächlich ein Stück übersichtlicher werden.

2 Immobilienmanager können mithilfe eines uniform akzeptierten Standards effektiver und effizienter ihre Portfolios managen. Allerdings geschieht dies aufgrund der Standardisierung an sich. Die Wahl des Standards muss nicht zwangsläufig auf IPMS fallen: Jeder andere Standard, so er im eigenen Wirkungsbereich durchgesetzt werden kann, würde dasselbe Ziel erreichen. Die Durchsetzbarkeit könnte sich aber mit einer neutralen, einfachen, im Internet downloadbaren IPMS zweifellos einfacher gestalten. Auch können Bestandsänderungen problemlos ohne Datenneuerfassung verwaltet werden.

Kernstück: Drei einfache Definitionen

Das Grundgerüst des IPM-Standards ­besteht aus drei Definitionen. IPMS 1 Der Standard ist anzuwenden, wenn man die Fläche eines Gebäudes inklusive der Außenmauern angeben ­möchte. Dies entspricht der in vielen Märkten als „Gross External Area“ ange­gebenen Fläche. Balkone, überdachte Galerien und Dachterrassen, die zugänglich sind, werden inklusive ihrer Außenflächen erfasst und separat angegeben. IPMS 2 Das ist die Summe der Fläche ­eines jeden Bürogebäudegeschoßes, wobei jede Geschoßfläche einzeln angegeben wird. Die Grenzlinie für die Messung der Geschoßfläche wird durch die Innen­kanten der Außenwände bestimmt, wobei es ein paar Ausnahmen gibt. In vielen Märkten entspricht dies der als „Gross Internal Area“ angegebenen ­Fläche. ­Inkludiert sind hier interne Wände, Säulen und angeschlossene Gänge oder ­Passagen, die Gebäude verbinden und die ­direkt oder indirekt zugänglich sind. Überdachte Leerflächen wie beispiels­weise Atrien sind nur im untersten Geschoß erfasst. Balkone, überdachte ­Galerien und Dachterrassen, die zu­gänglich sind, werden mit ihrer Innen­fläche erfasst und separat angegeben. IPMS 3 bezieht sich schließlich auf die Geschoßfläche in exklusiver Nutzung. In einem Gebäude können ein exklusiver Nutzer oder mehrere separate Nutzer sein. IPMS 3 hat nicht direkt mit IPMS 1 und 2 zu tun. IPMS 3 umfasst die Geschoßfläche, die einem Nutzer zur Verfügung steht, exklusive der „Standard Facilities“, wie beispielsweise Treppen, Aufzüge, Toiletten, Wartungsräume u. a. sowie der gemeinsam genutzten Gänge, also jener Flächen, die sich im Laufe der Zeit in der Regel nicht verändern. Alle internen ­Wände und Säulen sind hier inkludiert. Die Grenzlinie für die ­Messung der Geschoßfläche wird durch die Innenkanten der Außenwände bestimmt. Dort, wo es eine gemeinsame Mauer mit einem ­anderen Mieter gibt, wird die Fläche bis zur Mitte dieser ­Mauer verstanden.

Schwächen der IPM-Standards
1 Es bleibt dahingestellt, ob alle Player der Branche weltweit in der Übernahme der IPMS tatsächlich einen so großen Vorteil sehen. Auch müssen sie lang eingespielte, zum Teil kulturell verankerte Usancen und Geschäftspraktiken aufgeben. Viele Beispiele belegen, dass ein gutes Konzept allein noch lange nicht über seine Durchsetzung entscheidet. Ein Beispiel: Esperanto war einst als neue, leicht erlernbare Sprache für eine besser und auf Augenhöhe miteinander kommunizierende Welt erdacht worden. Niemals konnte sich dieses an sich verlockende Konzept auch nur ansatzweise durchsetzen.

2 IPMS ist – zumindest bis auf Weiteres – ausschließlich in englischer Sprache erhältlich. Dies untergräbt die vermeintlich ­angestrebte Regionen ­übergreifende „Neutralität“ der Norm, da sie automatisch Englisch als Lingua franca voraussetzt. Die EN 15221-6, ebenfalls eine Flächen­standardisierungsinitiative auf europäischem Niveau, welche bereits 2010 aus der Taufe gehoben worden ist, hat hier den klaren Vorteil, dass sie nebst der normierten Begriffsdefinitionen an sich auch gleich die ­sprachliche Über­setzung dieser Begriffe mitliefert und zwar für sämtliche offiziellen Sprachen der EU. Der normierte Flächenbegriff kann also auch in der eigenen Sprache verwendet werden und ist trotzdem über die Landesgrenzen hinaus ein­deutig und unmissverständlich definiert.

3 Es ist fraglich, ob die Mehrheit der Marktteilnehmer tatsächlich Interesse an einer Weltnorm hat, die die Geschäftstätigkeiten rund um den Immo­biliensektor in der eigenen Region aus globaler Perspektive um vieles einsichtiger und vergleichbarer gestalten. Während in der IT- oder Unterhaltungsindustrie mit sinnvoller weltweiter Standardisierung unmittelbare Marktchancen und potenziell gigantische Marktvolumina generiert werden, trifft dies auf den Immobiliensektor kaum zu, im Gegenteil: Bestimmte Professionen, welche aus der Unübersichtlichkeit der lokalen Marktlage ihre eigene Profession ableiten, würden ihrer eigenen Wegrationalisierung Vorschub leisten. Höhere Transparenz und Vergleichbarkeit führt zu erhöhtem Wettbewerbsdruck. Das Gros der Betroffenen würde aber keinen unmittelbaren Nutzen daraus ziehen.



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