Viel Markt, wenig Einsicht
Noch nie war es für Gemeinden so leicht, ihre Immobilien besser zu bewirtschaften und dabei Geld zu sparen. Die meisten tun es trotzdem nicht.
Zwischenwasser ist kein Durchschnittsort. Mit seinen knapp über 3.000 Einwohnern gelingt es der Vorarlberger Kommune seit dem Jahr 2004, den Gesamtjahresstromverbrauch – für Haushalte, das örtliche Gewerbe wie auch für den öffentlichen Sektor – nicht mehr ansteigen zu lassen. „Das ist auf die hohe Akzeptanz des Energiethemas in der Bevölkerung zurückzuführen“, schmeichelt Josef Mathis, Alt-Bürgermeister und Obmann der „Zukunftsorte“, einem Verein von neun Gemeinden, die auf der Agenda Zukunftsthemen wie Baukultur, Bildung und eben Energie stehen haben. Diese Orte ticken anders, sie haben sich auf die Zukunft eingestellt. Sie gehen mit kommunalen Immobilien anders um als jene Kommunen, die durch budgetäre und politische Ängste aus ihrer Schockstarre nicht herauskommen. Das (volkswirtschaftliche) Potenzial wäre allerdings beachtlich, wie Peter Kovacs, Leiter Objektmanagement des Bau- und Gebäudemanagements der Stadt Wien sowie Vorstand des Verbandes Facility Management Austria (FMA), in einer Grobschätzung vorrechnet: Haben rund 2.500 Kommunen in Österreich im Schnitt etwa zehn öffentliche Gebäude und hat ein Objekt Einsparpotenzial von rund 2.000 Euro pro Jahr, ergäbe das eine Einsparung von mindestens 50 Millionen Euro im (nach dem Personal) zweitgrößten Kostenfaktor der Gemeinden. Auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern hat das auch die Immobilienwirtschaft entdeckt. Kommunen und die öffentliche Hand sind plötzlich eine heiß umworbene Zielgruppe von Finanzierern, Beratern, Facility Managern und Baufirmen geworden. Ihre Vorschläge zur Verbesserung der kommunalen Immobilien(bewirtschaftung) brauchen meist nur rudimentäre BWL-Kenntnisse.
Der Depperte aus Wien
Die simpelste Variante ist das klassische Outsourcing. Hannes Hofer, Geschäftsführer der Bundesbeschaffungsgesellschaft (BBG), gibt als Motto vor: „Do what you can do best – outsource the rest.“ Dazu muss aber erst einmal die Angst überwunden werden. Gerhard Wildner, Geschäftsführer der WISAG Gebäudereinigung, erzählt vom Beginn eines – mittlerweile – Vorzeigeprojekts in der Steiermark. Im Jahr 2002 übernahm WISAG den Reinigungsdienst für das Stift Admont, bis dahin wurde mit Eigenpersonal geputzt. „Die Stimmung war wegen der Ungewissheit angespannt. Und dann kommt der Depperte aus Wien. Natürlich waren da alle anti-WISAG eingestellt“, erinnert sich Wildner. Den Höllenwirbel bei so einer Umstellung will man als Arbeitgeber freilich vermeiden, vor allem als Kloster. Kirchliche Institution kündigt sozial schwache Mitarbeiter – an diese Schlagzeile erinnert sich Wildner noch. „Das war auch so, nur sind diese Mitarbeiter von uns sofort wieder aufgenommen worden.“ Den elf Reinigungsdamen wurde nach ihrer offiziellen Freisetzung durch das Stift der Einstieg bei der WISAG angeboten. „Wir beschäftigen nur Menschen aus der jeweiligen Region“, zerstreut Brigitte Fiedler, Geschäftsführerin der WISAG Facility Management, die Angst, billigere Arbeitskräfte aus anderen Ländern würden solche Posten übernehmen. Nach ein wenig Überzeugungsarbeit willigten die Damen ein. Der Stundenlohn blieb gleich. Allerdings gestaltete sich der Reinigungsdienst effizienter als zuvor – erstmals wurde zum Beispiel ein Leistungsprofil definiert, die Einsätze effizient geplant, neues Reinigungsequipment wurde angeschafft etc.
Stift + Gemeinde = Synergie
Das war aber erst der Anfang. Die Arbeiten liefen für das Stift binnen kürzester Zeit so zufriedenstellend, dass die WISAG auch die Bibliothek dazubekam. Immerhin handelt es sich hier um ein UNESCO-Weltkulturerbe und die weltweit größte Klosterbibliothek mit rund 230.000 Bänden. Später kamen auch das E-Werk sowie das neu errichtete Museum hinzu. Der eigentliche Clou aber passierte, als sich auch die Gemeinde – eingedenk möglicher Synergieeffekte – entschloss, das Unternehmen für kommunale Dienste hinzuzuziehen. Zuerst machte die WISAG wegen Ausfällen in der Gemeinde eine Ersatzgestellung. „Da hat die Gemeinde gesehen: Wir machen es besser und noch dazu in der halben Zeit. Sie bekommt einmal im Monat eine Rechnung und hat sonst keine Sorgen mehr damit“, so Wildner. In der Gemeinde Admont reinigen Wildners Mitarbeiterinnen jetzt das Gemeindeamt, den Kindergarten, die Volksschule, das Tourismusbüro und das Hallenbad. Je mehr kommunale Einrichtungen einer Gemeinde respektive einer Region „bespielt“ werden, desto effizienter funktioniert das Prinzip – umso mehr Synergieeffekte können lukriert werden. Mittlerweile arbeiten 20 Personen in dem regionalen Team, das auch Weihnachtsfeiern, Betriebsausflüge und gemeinsame Wandertage unternimmt.
Bio-Essen in Kärnten
„Facility Management wäre ein Musterbeispiel für die Notwendigkeit und die Vorteile von interkommunaler Zusammenarbeit mehrerer benachbarter Gemeinden. Es ist höchste Zeit, hier sinnlose Egoismen über Bord zu werfen!“, fordert Peter Prischl von der Beratungsfirma Reality Consult. Die Dienste beschränken sich freilich nicht auf die Reinigung alleine. Sicherheitsdienste, Gebäudetechnik, Catering und Altenpflege zählen genauso dazu. Beispiel Kärnten: Im Rahmen der Ganztagesbetreuung bieten Kindergärten, Schulen und Horte auch Mahlzeiten an – Kärnten ist dabei Vorreiter in der Verpflegung mit biologischen Lebensmitteln und hat das Thema Essen an Dussmann abgegeben. Der Facility-Anbieter hat im Schuljahr 2013/14 täglich 900 Portionen frisch für die Kinder zubereitet, außerdem wurde der Dienstleister im April 2014 von der Stadt Linz für weitere 5 Jahre mit dem Kochen der Speisen für die Aktion „Essen auf Rädern“ betraut. In Deutschland können die Eltern das Essen für ihre Kinder sogar online auswählen. Dort bietet Dussmann übrigens auch zweisprachige Kindertagesstätten namens „Kulturkindergarten“ als eigenes Produkt an (mit derzeit sechs Standorten). Senioren betreut das Unternehmen schon seit Jahren mit eigenen Pflegeheimen der Marke „Kursana“.
Braucht eine Gemeinde Immo-Eigentum?
Es stellt sich die Frage: Was und wie viel soll oder darf eine Gemeinde auslagern? „Es ist das Kerngeschäft einer Gemeinde, Leute zu verheiraten, kleine Kinder zu beaufsichtigen, sich um Obdachlose und Verwirrte zu kümmern etc. Brauchen sie dazu Immobilien? Ja. Müssen sie die besitzen? Nein“, erklärt Prischl und spricht damit sogar das Outsourcing von Flächen an. Alexander Redlein von der TU Wien denkt ähnlich: „Die Kommune muss sich fragen: Brauche ich diese Immobilie beziehungsweise Infrastruktur wirklich für mein Kerngeschäft? Denn jeden Quadratmeter, den man einsparen kann, muss man weder heizen noch kühlen oder reinigen. Diese Bedarfsoptimierung weist daher ein wesentlich höheres Potenzial auf als eine reine Energieoptimierung des Bestandes.“ Klingt ja alles bestens, oder? Schon, allerdings haben wir in dieser Geschichte absichtlich positive Beispiele recherchiert. Für die Mehrheit der Gemeinden sind sie nicht repräsentativ. Derzeit könnten laut Kovacs nur etwa 10 Prozent der Kommunen mit dem Begriff Facility Management etwas anfangen, und lediglich 3 bis 4 Prozent würden ein kommunales FM auch wirklich leben – mehr oder weniger weit fortgeschritten.
Verrat statt Verbesserung
Hinter vorgehaltener Hand meinen Experten, dass jene Gemeinden, die den Vorteil eines kommunalen Immobilienmanagements verstanden haben, es bereits umsetzen. Der Rest versteht die Vorteile nicht oder will sie nicht verstehen. Etwa wegen dem bekannten politischen Paradoxon: Ein Bürgermeister, der wirklich die Zukunft seiner Gemeinde gestalten und sie auf Effizienz umstellen will, gilt schnell als Verräter und wird nicht mehr gewählt. Ihm wird nachgesagt, die Arbeit an böse Unternehmen zu vergeben, und er beschneidet scheinbare Kompetenzen von Kollegen: Der Leiter der Musikkapelle fühlt sich als Verwalter des Musikerheims, hat in Wahrheit allerdings wenig Immobilien-Know-how. Ein Partner, der aber langfristig mit einer Gemeinde zusammenarbeitet und dessen Verträge über 20 Jahre laufen, wird zum Beispiel jene Technik einbauen, die auch wirklich 20 Jahre hält. Gewählt wird aber alle 5 Jahre. Hinzu kommt: Gemeinden können sich relativ leicht verschulden. Sie nehmen leichter Kredite auf als private Dienstleister, haben bessere Bonität. Das hemmt das Outsourcing. Gäbe es ein kommunales Finanzmanagement, bei dem ein fremdaufgenommener Kredit bei einem Dritten nicht als Einnahme zählt, sondern als höhere Beschuldung, würden die Entscheidungen schon anders aussehen. Manchmal, so meinen die Experten, mangle es auch einfach daran, dass sich die Verantwortlichen mit dem Thema Immobilie und Facility Services nicht ernsthaft auseinandersetzen und nicht erkennen, dass „die Immobilie eine strategische Ressource für das Kerngeschäft darstellt und eine effiziente Bewirtschaftung einen wesentlichen Beitrag zum Betriebsergebnis leistet“, wie Kovacs es formuliert. Deutschen Studien zufolge können so 20 Prozent der Kosten eingespart werden, wie es in einem Praxisleitfaden des Städtebundes heißt. Für Ebreichsdorf hat WISAG-Mann Gerhard Wildner ein Einsparpotenzial von sogar 40 Prozent errechnet. Umgesetzt wird das Konzept dennoch nicht. Noch, denn zumindest diese Gruppe könnte mit einfühlsamer Kommunikation vom Vorteil eines kommunalen Liegenschaftsmanagements überzeugt werden. Für sie sieht Christian Huber, Departmentsprecher Wirtschaft & Technik der FH Kufstein, das Glas halb voll: „Wo noch wenig Vorarbeit da ist, ist der Optimierungsgewinn immer am größten.“
Beim Energieeinsparcontracting definiert der Auftragnehmer die Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Senkung der Energiekosten. Die Investitionen refinanzieren sich während der Vertragslaufzeit durch die erzielten Einsparungen. Nach Vertragsablauf kommen die Energieeinsparungen dem Auftraggeber zugute. Die MA 34 hat im Zeitraum 1998 bis 2013 Energieeinsparcontracting-Projekte durchgeführt. Die Statistik spricht eine eindeutige Sprache:
• 33 Schulen, 11 Kindergärten und 11 Amtshäuser
• Finanzielle Einsparung: rund 7,7 Millionen Euro
• Eingesparte Energiemenge: rund 111.300 Megawattstunden (MWh) – damit könnte das Wiener Rathaus circa 13 Jahre lang beheizt werden.
Gerade hat Mariasdorf im Burgenland in den Kanal- und Wasserleitungsbau sowie in den Kindergarten und die Volksschule investieren müssen, und dann sollte auch noch was mit dem Stallgebäude geschehen, in dem der Bauhof untergebracht war. Da wird das Geld irgendwann mal knapp – da geht es allen Gemeinden gleich. Mariasdorf hat es zwar nicht geschafft, mit den Nachbargemeinden einen gemeinsamen neuen Bauhof umzusetzen, da gab es zu viele Interessenkonflikte. Dennoch können sich die 1.200 Einwohner heute über ein neues Gebäude inklusive einer Sammelstelle für Alt- und Problemstoffe freuen. Die Lösung lag in der Finanzierung. „Leasing bietet Kommunen einen intelligenten Weg, wichtige Einrichtungen trotz angespannter Budgetsituation zu realisieren“, erklärt Brigitte Bruckmüller von der Erste Group Immorent, die aus einer Ausschreibung als bester Geldgeber für das Vorhaben in Mariasdorf hervorging.
„Schätzungsweise können bis zu 40 Prozent der Primärenergie durch intelligente Nutzungen eingespart werden“, so Josef Mathis, Alt-Bürgermeister von Zwischenwasser – das betrifft das Bauwesen im Allgemeinen, die Beleuchtung, die Dämmung, auch die Mobilität. Für die kommunalen Gebäude gibt es in Zwischenwasser eine eigene „Energiebuchhaltung“ – so können die Entscheider Energieflüsse dokumentieren: die Zählerstände werden monatlich abgelesen und in das von Schülern der HTL Rankweil entwickelte internetbasierte Programm energyControl eingetragen und mit den Daten anderer fortschrittlicher Gemeinden verglichen. Der lokale Facility Manager kann somit jederzeit Abweichungen der Energieflüsse feststellen und Maßnahmen einleiten. Nur ein Beispiel, wie in Zwischenwasser die Betroffenen von den Einsparungen profitieren: Zwischen Gemeinde und Mittelschule gibt es eine Vereinbarung, dass „Energieeinsparungen durch Nutzerverhalten“ zu je 50 Prozent in bar aufgeteilt werden. www.zukunftsorte.at
Der Bildungscampus Gertrude Fröhlich-Sandner mit Kindergarten, Volksschule und Verpflegungseinrichtung ist das erste Öffentlich-Private-Partnerschaft-Modell (ÖPP) der Stadt Wien im Bildungsbereich. Die Anlage wurde nach den Wünschen der Stadt errichtet, sie mietet sie für die Nutzung. Die Finanzierung, der Bau, der Betrieb kommt von Partnern aus der Privatwirtschaft, sie garantieren auch fixe Kosten im Betrieb – egal, wie sich zum Beispiel die Energiepreise entwickeln. Arnold Vielgut von Vasko+Partner: „Gerade beim Campus Gertrude-Fröhlich-Sandner erkannten nach Fertigstellung alle Beteiligten klar die Vorteile, wenn Private gemeinsam mit der Stadt ein Projekt realisieren und dieses auf eine lange Nutzungszeit (Lebenszyklusansatz) planen. ÖPP ist aber mit Sicherheit kein Lösungsansatz, um finanzielle Engpässe zu umgehen – ein langfristiger Versorgungsbedarf/Nachfrage sollte gegeben sein, um keine überteuerten Risikoprojekte zu realisieren.“