Produktivität!

In dieser Geschichte geht es nicht um Immobilien. Es geht darum, wie ein Unternehmen besser arbeiten kann, es geht um Produktivität, ums Kerngeschäft. Und dazu braucht man halt auch Immobilien.

Uiuiuii, dazu traue sie sich nichts zu sagen, die sonst so auskunftsfreudige PR-Dame. Dabei hat sie doch nur ein paar Fragen über ihre Österreich-Zentrale bekommen. Harmlose Sachen wie, ob der Konzern die Flächen miete. Da würde auch ein Blick ins Grundbuch genügen. Nein, das sei ihr wirklich zu heikel. Fragt man bei Unternehmen nach Immobilien­details, ist es, als ob man in ein Tabu­thema hineinstochert; ob bei nach Transparenz trachtenden AGs oder bei KMUs, bloß dass Letztere vielleicht ehrlicher sind und zugeben, dass das Thema stief­mütterlich behandelt wird: Nur zwei von 15 Unternehmen haben eine schriftliche Immobilienstrategie, ein weiteres verfügt über eine teilweise definierte Strategie, so das ernüchternde Ergebnis einer Unter­suchung an der Uni Zürich.

Lieber Personal rausschmeißen

Betriebsimmobilien wurden und werden immer noch von der Unternehmensleitung als notwendiges Übel wahrgenommen. Während beim Personal gerne „umstruk­turiert“ wird (und mit den Entlassungen auch das Know-how flöten geht), sind Immobilien noch kaum als Management-­Aufgabe, die einiges an ­Potenzial birgt und den Rubel rollen ­lassen kann, ­entdeckt worden. Management in diesem ­Sinne: ­verstehen, Strategie entwickeln, ­delegieren. „Es geht nicht darum, dass sich ein Unternehmen permanent mit Immobilien auseinandersetzt, nein, genau das Gegenteil ist der Fall“, versucht Peter Prischl, Strategieexperte und Berater von Reality Consult, die Angst der Entscheidungsträger vor noch mehr Arbeit zu nehmen. Nachsatz: „Aber sie müssen sich halt einmal professionell mit dem Thema auseinandersetzen, um Immobilien als wesentliche betriebswirtschaftliche Stellschraube einsetzen zu können.“

Wer im Unternehmen ist zuständig?
Es ist nicht notwendig, dass sich der oberste
Boss laufend mit Immobilienfragen auseinander­setzt (ausgenommen, es geht um einmalige, große ­Projekte). Berater Peter Prischl von Reality Consult rät dazu, eine Ebene unter dem CEO eine Verantwortlichkeit festzulegen: „Das muss nicht eine eigene Stelle sein, aber es sollte jemand ­mittels offizieller Geschäftsverteilung auch ­v­erantwortlich gemacht werden.“ Prischl sieht hierfür vier Möglichkeiten:
• Handelt es sich um ein Unternehmen, dessen ­Immobilien hauptsächlich einer Produktion dienen – also Lagerhallen, Fertigungs- und ­Werkstätten, Labors etc. –, sollte auch der Produktions­ver­antwortliche (zum Beispiel ­Werks- oder Produktions­leiter) als Immobilien­verantwortlicher definiert werden.
• Organisationen, die in der Wissensökonomie tätig sind (also sämtliche Beratungsunternehmen, Agenturen etc.) haben als wichtigstes Asset gute Leute. Daher sollte auch die Position, die für das Personal zuständig ist, die Immobilienagenden übertragen bekommen.
• Gibt es eine sehr starke Outsourcing-Kultur im Unternehmen und ein Procurement (also Profis, die sich mit Wertschöpfungsketten etc. befassen), dann ist dieser Beschaffungsverantwortliche auch der Richtige für die Liegenschaftsthemen.
• Worst Case: Das Unternehmen befindet sich in einer schlechten Ertragslage und muss mit einer reinen Kostenperspektive arbeiten, dann sollte das Immobilienthema beim CFO landen.

Strategie entwickeln

Aber wie kommt ein Unternehmen zu ­einer Immobilienstrategie? Ganz ­klassisch. Schritt 1: Status quo der vorhandenen Immobilien/Flächen analysieren. In welchem Zustand sind sie? Welcher Investitionsbedarf fällt wann an? Welche Vollkosten verursachen sie? Als zweiter Schritt und vollkommen unabhängig davon müssen die Anforderungen des Unternehmens klar sein – dieser Teil hat mit Immobilien rein gar nichts zu tun. Was sind die Ziele, wie lautet das Kerngeschäft des Unter­nehmens? „In einem ersten Gespräch fragen wir immer zuerst nach den strategischen Positionierungen des Unternehmens, weil daraus muss sich letztendlich die Objektstrategie ableiten“, erklärt ­Herbert Zitter vom Beratungsunternehmen M.O.O.CON. In dieser Phase geht es nicht um Großraum- oder Zellenbüros, obwohl: „Ein Großteil unserer Klienten kommt zu uns und artikuliert Immobilien­wünsche – etwa, dass sie ein Büro wie Microsoft ­haben wollen. In Wahrheit ­meinen sie dabei aber eigentlich das Unternehmen, das sie verändern wollen. Dann muss aber auch dort begonnen werden!“, klärt Andreas Gnesda von teamgnesda auf.

Der Klassiker: Miete oder Eigentum?

Ist die unternehmerische Strategie geklärt, wird sie mit dem Status quo der vorhan­denen Flächen gegenübergestellt. Können die bestehenden Räume die Anforderungen erfüllen? Wenn nein, ist Handlungsbedarf gefragt und es geht in die nächste Runde. Es muss festgestellt werden, ob ein Neu- oder ein Umbau mehr Sinn macht. Was passt besser zum Unternehmen – Miete oder Eigentum? Grundsätzlich stellt sich diese Frage natürlich ohnehin nur bei einer ausreichenden Eigenkapitalreserve. Dennoch spalten sich hier die Meinungen der Experten. „Ein Skirennfahrer würde nie mit Leihski fahren“, meint Andreas Gnesda und fährt fort: „Ein Unternehmen sollte schon darüber nachdenken, ein Büro selbst und ganz nach seinen Vorstellungen zu bauen. Oder wirtschaftlich ­gesprochen: Der Wert einer Immobilie bemisst sich immer an ihren Mietverträgen. Ich ­ermuntere daher alle, zu überlegen, in eine eigene Immobilie zu gehen und selbst über die Konditionen zu entscheiden bzw. den Gewinn nicht anderen zu überlassen.“ „Je später man verkauft, desto höher ist der Entwicklungsgewinn“, rechnet Gnesda vor. Auch bei M.O.O.CON sieht man in der individuellen Gestaltung der Immobilie einen Vorteil. Das Problem der gewerblichen Immobilienentwickler und -investoren sei, dass sie die Bedürfnisse der Nutzer noch nicht genau kennen oder sie nur in Form von Standardimmobilien bzw. -flächen befriedigen können. Deswegen würden sich viele für Corporate-Immo­bilien entscheiden, was auch erklärt, warum 95 Prozent aller Büro- und Gewerbebauten in Österreich und Deutschland Unter­nehmensimmobilien sind.
„Das ist ein Fehler“, kontert Peter Prischl. „Man darf als Unternehmen sein knappes Eigenkapital nicht in Immo­bilieneigentum stecken.“ Und wenn es einen Immobilienbestand gibt, sollte das Unter­nehmen die Immobilie lieber jemand anderem vermieten, um ein Klumpen­risiko zu vermeiden. Die Kunstsammlung von Essl hätte Baumax schließlich auch nicht gerettet. Einzig nicht marktfähige Immobilien wie spezielle Labors oder Ähnliches sollte ein Unternehmen selbst entwickeln, „weil kein anderer sie billiger und effizienter bauen kann“. Eine Studie von Maria Obauer an der FH Kufstein stützt Prischls These. Obauer ­untersuchte 72 börsennotierte österreichische Unternehmen und stellte fest, dass je besser die Performance, umso geringer das Immobilienvermögen war – ein kausaler Zusammenhang ist zwar nicht bewiesen, das Ergebnis unterstreicht aber umso mehr, wie sinnvoll es ist, sich mit dem Thema zu befassen.

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Die Büros von Kapsch TrafficCom zeigen, wie organisatorische und kulturelle Ziele zu Raum werden können. Sie folgen dem Activity Based Working-Prinzip.

Leasing-Vorteile

Einen großen Vorteil haben Unternehmen gegenüber Privaten, wenn sie sich die ­Frage „mieten oder kaufen“ stellen. Die Leasing-Option vereint einige ­Vorteile beider Seiten. Beispiel: Die Wiener Städtische Versicherung wollte bei zwei Gebäuden einerseits langfristig finanzieren und die Vorteile eines Mieters genießen, andererseits wollte sie sich auch die Möglichkeit offen halten, das Gebäude später einmal zu erwerben. „Die Erste Group Immorent hat für uns zwei Landes­direktionen – in Graz und Feldkirch – als Leasingmodell entwickelt, errichtet und langfristig an die Wiener Städtische verleast. Wir haben damit für unsere eigengenutzten Liegenschaften eine nicht nur steuerlich attraktive Finanzierungsform gefunden: Die Eigenmittel­bindung wird vermindert und das Kapital steht stattdessen für deckungstockfähige Veranlagungsformen zur Verfügung“, erzählt Vorstandsdirektorin Christine Dornaus. Wenn Objekte von dem Leasingnehmer selbst genutzt werden, kann auch bei Leasing sehr stark auf die konkreten Kundenwünsche bzw. -bedürfnisse eingegangen werden, dennoch muss allerdings eine Drittverwertbarkeit immer gegeben sein. Was Flächenflexibilität etc. betrifft, bleibt man bei der Miete freilich am flexibelsten.

Kosten sind nicht Kosten

Wer im Übrigen seine Mietkosten wissen will, sollte darauf achten, die ­Vollkosten zu analysieren. Hierzu zählen auch Aufwände für Verpflegung, Logistik, Post, Energie etc. „Alles zusammen macht auch schon mal leicht 15 Euro pro Quadrat­meter aus, mehr ist auch nicht unüblich“, weiß Herbert Zitter. Außerdem zeigen Studien, dass die von Immobilien verursachten Kosten buchhalterisch oft falsch zugewiesen werden. Und vor noch einem Trugschluss warnen die Experten. Ein Umzug sei meist mit einer Flächen­reduktion verbunden, klingt es in letzter Zeit gerne aus den Berichten der Immobilienmakler. Das spare natürlich Mietkosten (und ist gut fürs Maklergeschäft). „Flächenoptimierung wird viel zu sehr unter dem Motiv der Kostenoptimierung gesehen“, kritisiert Gnesda. Es gehe doch darum, die richtige Fläche und Infrastruktur zu finden, also eine, die so gestaltet ist, dass sie das Unternehmen leistungsfähig macht. voestalpine-Vorstand Wolfgang Eder verweist etwa beim international ausgezeichneten Büroneubau in Linz auf nicht unmittelbar monetär bewertbare ­Bereiche, die ganz klar zu besserer Leistung und besserer Motivation führten. „Wenn ich es schaffe, die Produktivität der Mitarbeiter um 1 Prozent zu steigern, kann ich für die Immobilie um 13 Prozent mehr ausgeben – muss es aber nicht, auch das ist Einsparungspotenzial“, sagt Herbert Zitter.

Soziale ZieleWirtschaftliche ZieleOrganisatorische ZieleKulturelle Ziele
Wenn die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter einen hohen Stellenwert haben, sich der Arbeitgeber als fördernd, ethisch und integer positionieren möchte, dann kann das für ­Immobilien bedeuten:
• aufgabenorientierte und ergonomische ­Arbeitsplatzgestaltung
• Darstellung einer offenen und zukunft­s­orientierten Haltung als Arbeitgeber
• Schaffung von ausreichend einladenden ­Regenerationsflächen zur Förderung der ­internen Kommunikation
• Berücksichtigung des Bedürfnisses nach Behaglichkeit und hohem Nutzungskomfort bei individuellen Anpassungsoptionen
• Schaffung einer durchgängigen Barrierefreiheit in allen Funktionseinheiten und Möglichkeiten für individuelle Lösungen
Beispiel: Beim BBRZ Schulungs- und Rehabilitationszentrum in Linz handelt es sich um ein Unternehmen, für das das soziale Handeln bereits im Kerngeschäft verankert ist. Das revitalisierte Gebäude bekennt sich zum historischen Standort und nimmt in besonderer Weise Rücksicht auf Menschen mit Behinderungen.

Wenn wirtschaftliche Ziele (zum Beispiel Markt­führerschaft, ­Innovations- und Technologieführerschaft, ­nachhaltige Sicherung des Unternehmenserfolgs) die Strategie dominieren, kann man zum Beispiel folgende Objekt- und ­Service­qualität daraus ableiten:
• optimierter Flächeneinsatz
• Bau- und Ausstattungsqualitäten so ausführen, dass möglichst wenig Wartung und Instand­haltungs­kosten notwendig sind
• Nutzungsänderungen in der Planung berücksichtigen
• Erweiterungsmöglichkeiten
• Synergien am Standort nutzen, zum Beispiel bei ­Mitarbeiterverpflegung und Kinderbetreuung
Beispiel: Bei der AK OÖ in Linz (Bild oben) hat man bei der Revitalisierung besonders viel Wert darauf gelegt, dass das Gebäude wirtschaftlicher wird. Es handelt sich dabei um das erste revitalisierte Gebäude Österreichs, das nachhaltigkeitszertifiziert wurde.

Mögliche Zielformulierungen sind: Innovationen zu fördern, Mitarbeiter als Schlüssel zum Unternehmenserfolg zu sehen, ihre Fach-, Führungs- und Sozial­kompetenzen auszubauen, Respekt und gegenseitiges Vertrauen zu fördern, mit qualifizierten, leistungs­starken Partnern und Lieferanten zu arbeiten. Daraus leitet sich zum Beispiel folgende Objektqualität ab:
• flexible, reversible Flächen planen, auf denen ­Veränderungen einfach möglich sind
• ergonomische und aufgabenorientierte ­Arbeitsplatz- und Raumgestaltung
• Gebäude bildet die Organisationsstruktur ab und unterstützt diese
• Gebäude bildet die Identität des Unternehmens ab
• kommunikationsorientiertes Bürokonzept – Unterstützung der informellen, abteilungsübergreifenden Kommunikation

Solche Ziele könnten zum Beispiel lauten: Marktführer­schaft („wir haben die besten Teams und ­Spezialisten“), Berufs­ethik (Ehrlichkeit, Transparenz, Sorgfalt), Respekt vor dem Gesetz, den Kollegen und Kunden, ­soziales ­Engagement („wir unterstützen Universitäten“), ­Umweltschutz etc. Für Immobilien ergeben sich daraus:
• zeitloses, modernes Gebäude (Flachbau oder ­Hochhaus), das repräsentativ und einzigartig, ­gleichzeitig nutzerneutral ist
• Integration des Gebäudes ins Umfeld
• Niedrigenergie- oder Passivhausstandards
• Gütesiegel Nachhaltigkeit
• Einsatz erneuerbarer Energien
• gute Verkehrsanbindung am Standort (PKW und ­öffentlich)

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