Gibt es eine grüne Blase, die bald platzen könnte?

Von Jürg R. Bernet

Es ist überhaupt nicht klar, ob die Menschen später den heutigen grünen Gebäuden noch denselben Wert beimessen werden, den uns die Anbieter nachhaltiger Gebäudezertifikate gegenwärtig verkünden. Logisch ist jedoch, dass die meisten innovative Produkte anfänglich teurer sind als ihre konventionellen Vorgänger – schon wegen kleiner Stückzahlen. Der eigentliche Grund für die Überteuerung innovativer Produkte ist aber sozialer Natur. Es ist die Differenzierung. Wer ein innovatives Produkt besitzt oder benutzt, unterscheidet sich von der Masse. Und für diesen Status sind manche bereit, relativ viel zu bezahlen. Das können wir jedes Mal beobachten, wenn wieder ein neues Smartphone auf den Markt kommt.

Die Besitzer und Benutzer grüner Gebäude wollen sich von ihren Mitbewerbern unterscheiden. Deshalb bezahlen diese Unternehmen für grüne Gebäude schon mal ein bisschen mehr als den üblichen Marktpreis. Besonders, wenn ihr besserer Status durch ein bekanntes Nachhaltigkeitszertifikat bescheinigt wird. Leider können aber neue Gebäude nicht so schnell gebaut werden wie neue Smartphones. Deshalb gibt es heute zu wenig zertifizierte Gebäude, um die ­steigende Nachfrage zu decken. Diese Verknappung treibt die Miet- und Kaufpreise zertifizierter Gebäude zusätzlich nach oben.

So schafft die Innovation grüner ­Gebäude tatsächlich finanziellen Mehrwert. Die ­entscheidende ökonomische Frage lautet aber: Sind grüne Gebäude eine Spekulations­blase, die eines Tages platzen wird? Aus heutiger Sicht können wir einige plausible Vermutungen anstellen. Diese basieren auf den drei Säulen der Nachhaltigkeit: unseren sozialen Konventionen, unseren umwelt­bezogenen Gesetzen und unseren wirtschaftlichen Erwartungen.

Mit steigenden sozialen Konventionen verblassen die damit verbundenen Differenzierungseffekte. Denn die besten Preise werden nur für die neuesten Alleinstellungsmerkmale bezahlt. So wie in Österreich etwa die sogenannten blauen Gebäude bereits einen höheren Status genießen als die inzwischen weiter verbreiteten grünen Gebäude. Einen ähnlichen Effekt haben auch verschärfte Umweltgesetze. In einem effizienten Null-Energie-Haus hat die Besteuerung betrieblicher CO2-Emissionen keine Wirkung mehr. Umfassendere Energiegesetze können aber künftig auch jene CO2-Emissionen umfassen, die beim Neubau und Rückbau entstehen. Der Mehrwert sozialer und technischer Innovationen könnte deshalb genauso schnell wieder verpuffen, wie neue Innovationen auf den Markt kommen.

Die wichtigste Rolle für die Rentabilität grüner Gebäude spielen letztlich unsere wirtschaftlichen Erwartungen. Neueste Forschungen bestätigen, dass Nachhaltigkeit dort am meisten finanziellen Mehrwert schafft, wo die Marktrenditen niedrig sind. Investoren neigen offensichtlich eher zu nachhaltigem Handeln, wenn sich bei einer niedrigen Jahresrendite von beispielsweise 4 Prozent das investierte Kapital erst längerfristig nach mehr als 17 Jahren verzinst. Bei einer hohen Jahresrendite von 12 Prozent hingegen wird gerne auf nach­haltige Investitionen verzichtet. Schließlich ist das investierte Kapital dann schon kurzfristig nach etwa 6 Jahren wieder zurückbezahlt. Die finanzielle Attraktivität nachhaltiger Gebäude hängt deshalb in entscheidendem Maße von unseren wirtschaftlichen Erwartungen ab. Solange wir weiterhin geringes Wirtschaftswachstum und damit niedrige Marktrenditen erwarten, ist es auch finanziell vernünftig, in nachhaltige Gebäude zu investieren: Grün ist also derzeit eine Innovation und keine Blase.

Über den Autor
Jürg R. Bernet ist Geschäftsführer des EURO Instituts für Immobilien Management in Zug (Schweiz) und Köln (Deutschland) und Visiting Professor an der Donau Universität Krems (Österreich). Er leitet das internationale Forschungsprogramm s-i-r-e Sustainable Investment in Real Estate.

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