Weiterentwicklung

Die Bauwirtschaft kämpft mit den Preisen. Vielerorts wird bereits an neuen Nischen getüftelt. Ein Weg ist die Projektentwicklung – die jedoch als de facto nicht geschützter Bereich schon von den unterschiedlichsten Branchen besetzt ist. Ein Blick in die Strategien der Bauunternehmen.

Nach dem Zusammenbruch des Baukonzerns Alpine stehen nun Strabag und Porr als Österreichs größte Baukonzerne allein an der Front des knallharten Wettbewerbs. Für viele kleinere Bauunternehmen ist der Preiskampf bereits täglich Brot. Die Projekt­entwicklung erweist sich als vielversprechende Nische. Mit der Erhöhung der Mittel für die Bauwirtschaft im Zuge des Konjunkturpakets könnten in den nächsten Jahren 14.000 zusätzliche Wohnungen gebaut werden. Die regionale Wirtschaft muss aber über neue Richtlinien bei öffentlichen Aufträgen und Förderungen gestärkt und gleichzeitig Lohn- und Sozial­dumping bekämpft werden. Zu wenige Aufträge verschärfen den Wettbewerb.

Hin zum Totalunternehmer

Doch die Bauwirtschaft hat längst reagiert und setzt auf Nischen, wie Maximilian ­Höller, Geschäftsführer Östu-Stettin bestätigt, wenn auch das Baugeschäft im Zentrum des Unternehmens bleibt: „Unser Schwerpunkt entwickelte sich vom Generalunternehmer zum Totalunternehmer. Mit unserem Projektentwicklungs-Know-how können wir dem Auftraggeber eine wertvolle Partnerschaft bieten. Dabei sitzen wir mit den Architekten und Fachplanern in einem Boot und entwickeln gemeinsam das Bauvorhaben.“ Östu-Stettin verfügt über rund zehn Personen in der Projektentwicklung – mit technischer, kaufmännischer und juristischer Ausbildung. Höller ist davon überzeugt, dass diese Abteilung demnächst aufgestockt werden muss. Der Neubau der ÖBB-Zentrale in Wien ist eines der aktuellen Bauvorhaben – ein Projektentwicklungsauftrag der Östu-Stettin/Habau. Dabei agiert das Unternehmen als Errichter, Finanzierer und Betreiber. Die Östu-Stettin ist seit 2008 Teil der Habau-­Gruppe und damit einer der größten Baukonzerne Österreichs.

Glücksritter und Spekulanten

„In den letzten Jahrzehnten sind zahlreiche Bauunternehmen in das Entwicklungsgeschäft eingestiegen“, erklärt Karl Bier, Geschäftsführer der UBM. „Teils um Bauvolumen für die Expansion des eigenen Betriebs zu generieren, teils um die Wertschöpfungskette zu verlängern. Sogar Immobilienfonds expandierten zur Steigerung ihrer Rendite in das Projektgeschäft. In Zeiten guter Konjunktur konnte man mit der Strategie durchaus reüssieren.

In Zeiten von Stagnation oder Rezession wie von 2007 bis 2010 aber haben ­fehlendes Know-how oder falsche Markteinschätzung rasch die Spreu vom Weizen getrennt. Viele der neu auf den Markt gekommenen Immobilienentwickler haben nicht beachtet, dass eine höhere Rentabilität mit einem größeren Risiko einhergeht. Die Kreditklemme und der Umstand, dass Bauen auf eigene Rechnung eine höhere ­finanzielle Leistungs­fähigkeit als Bauen für Dritte erfordert, haben Glücksritter und Spekulanten wieder aus dem Geschäft gedrängt.“ Um in der Zukunft als Entwickler bestehen zu können, sei Kapitalmarktfähigkeit unbedingte Voraussetzung, ist Bier überzeugt. Für Karl Heinz Strauss bleibt die Projektentwicklung aber ganz klar zumindest eine „wichtige Ergänzung für uns als Baukonzern“. Strauss ist CEO und Miteigentümer von Porr. Mit einem Anteil von 41,3 Prozent am Grundkapital ist Porr der größte Aktionär von UBM. „Der Kunde wünscht heute Lösungen aus einer Hand, von der Entwicklung über die Finanzierung und den Bau bis hin zum Betrieb. Der Trend geht dabei eindeutig in Richtung ‚green building‘, Energieeffizienz und optimale lifecycle-costs.“ Die Porr erwirtschaftete mit ihrer Abteilung Real Estate, in der die Projektentwicklung angesiedelt ist, mit rund 300 Mitarbeitern 2012 267,7 Millionen Euro, bei einem Auslandsanteil von 55,7 Prozent.

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Eigenkapital entscheidend

Hannes Truntschnig, Mitglied des Vorstands der Strabag SE und verantwortlich für das Segment „International + Sonder­sparten“, zu der die Unternehmensbereiche Immobilien- und Infrastruktur-­Development gehören, erklärt die aktuelle Situation so: „Lange Vorlaufzeiten, oft bedingt und ausgelöst durch administrative Verzögerungen bei den erforderlichen Genehmigungsverfahren, steigern neben den hohen Grundstückspreisen, speziell in Ballungszentren wie Wien, die Projekt­vorlaufkosten. Ohne ausreichendes Eigenkapital wird auch die Organisation von projektbezogenem Fremdkapital mittlerweile unmöglich oder zumindest sehr kostspielig. Während in Österreich und teilweise in Osteuropa unsere Projektentwicklungsaktivitäten in der Beteiligungsgesellschaft Raiffeisen Evolution gebündelt sind, wird der Immobilienmarkt in Deutschland und mittlerweile auch in Skandinavien über unsere 100-prozentige Tochterfirma Strabag Real Estate abgewickelt.“ Rund 200 Mitarbeiter sind in der Projektentwicklung tätig. Auch wenn zurzeit die wirtschaftlichen und teilweise auch politischen Rahmenbedingungen in den osteuropäischen Ländern Projektentwicklung nur auf niedrigem Niveau zulassen, bleiben diese Länder für den Baukonzern auch in Zukunft verstärkt im Fokus. Die Immobilien-Projektent­wickIung stellt mittler­weile eine wichtige Verlängerung der Wertschöpfungskette im Baukonzern dar. Mit der hauseigenen Projektentwicklung werden zusätzliche Bauumsätze generiert, die aufgrund der vorhandenen Synergieeffekte auch zur Ergebnisoptimierung im Konzern führen.

Damit agieren die in Österreich beheimateten Baukonzerne alle relativ ähnlich – im Unterschied zu den deutschen. Globale Player wie Hochtief trennten sich in den letzten Monaten zunehmend von ihrem Service-Geschäft bzw. kürzten ihre Development-Abteilungen zurück. Hochtief sucht für seine Immobilienentwicklung in Europa – gebündelt in den Gesellschaften und Sparten aurelis, HTP und formart – derzeit strategische Partner. Ziel: Die Zusammenarbeit mit langfristig interessierten Investoren soll die Kapital­bindung reduzieren.

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