Tot stellen hilft nicht

Die Annenpassage in Graz, das Uno-Shopping in Linz oder das ­Gasometer in Wien: diese Geistermalls zeigen am eindrucksvollsten, was passiert, wenn nichts passiert. Rund die Hälfte der bestehenden EKZs müssen umstrukturiert werden. Was zu tun ist und warum es oft nicht getan wird, analysiert Dieter Bullinger in diesem Gastbeitrag.

Über den Autor
Dieter Bullinger, Geschäftsleiter der 2012 gegründeten debecon GmbH Dieter Bullinger Consulting for better shopping destinations, Lutzenberg/Schweiz, arbeitete zuvor über 20 Jahre als Projektentwickler und Asset­manager für Shoppingcenter in verschiedenen ­europäischen Ländern für die ECE Projektmanagement Hamburg (1990-2001) und die SPAR Österreich Gruppe/SES Spar European Shopping Centers (2001 – 2012).

Ob Österreich oder Deutschland – die Probleme der Einkaufszentren sind die gleichen. Rund die Hälfte muss umstrukturiert werden, damit sie nicht eingehen. Dabei geht es aber nicht um die ohnehin alle paar Jahre erforderlichen kosmetischen „Aufhübschungen“ und Gebäude­renovierungen in Zentren, die eigentlich (noch) recht ordentlich laufen. Sondern um Center, die in Bezug auf Kundenfrequenzen, Umsätze, Flächenproduktivitäten und Leerstände grundlegende Um- und Neugestaltungen erfordern. Solche Center gibt es auch in Österreich. Dennoch sind in den letzten Jahren – trotz einer Reihe von Center-Renovierungen – insgesamt weniger Center-Revitalisierungen als erwartet zu verzeichnen. Es lohnt sich deshalb, einzelne Beispiele näher unter die Lupe zu nehmen, um herauszufinden, warum dem so ist (siehe Kasten).

SCS


Die SCS bei laufendem Betrieb auf Vordermann zu bringen, war ein Lehrstück für alle anderen Zentren.

Insgesamt zeigt sich, dass bei nicht wenigen Objekten zwar Revitalisierungsinvestitionen erforderlich sind, diese aber bislang unterblieben, weil sie rein finanztechnisch betrachtet nicht zu einer (kurzfristigen) Verbesserung der Rendite­situation führen. Dennoch sind die Revitalisierung und die damit zusammenhängenden Investitionen (bei gleichzeitig grundsätzlichen Überlegungen zu den heutigen und künftigen Nutzungen im Objekt) aus Marktgründen unausweichlich, weil sonst weitere Frequenz-, Umsatz-, Mieter- und Einnahmeverluste und damit auch Wertverluste und Abschreibungen drohen, die zwar noch weniger erfreulich sind, bei Lichte betrachtet aber meist schon überfällig sind. Vereinfacht gesprochen zeigen viele Beispiele, dass – bei einer Anfangs­investition von 100 und einem aktuellen Buchwert des Centers von oftmals noch zwischen 80 oder 90 – der Revitalisierungsbedarf oftmals zwar unbestritten ist. Da aber aufgrund der Probleme des jeweiligen Centers der aktuelle Marktwert des Objekts oftmals nur noch irgendwo zwischen 50 und 60 beträgt, lassen sich grundlegende Neugestaltungen und Revitalisierungsinvestitionen nur schwer umsetzen – da fragen vor allem die für Finanzen Verantwortlichen schon mal: „Sollen wir dem schlechten Geld jetzt noch gutes hinterherwerfen?“

Alternativen zu Revitalisierungsinvestitionen sind allerdings kaum vorhanden. Die naheliegende Idee, man müsse jetzt nur mal richtig Gas geben bei der Vermietung und neue attraktive Mieter akquirieren, hilft allenfalls kurzfristig – die Mieter wissen schon, welches Center ein gutes Objekt ist, in das es sich einzuziehen lohnt. Und die oft anzutreffenden (übrigens uralten ­menschlichen) Verhaltensweisen „tot stellen“ oder „weglaufen/weg­sehen“ helfen auch nicht. Nötig ist, nüchtern die Sachlage zu analysieren, Verantwortung zu übernehmen für die eingetretene Situation (wer immer sie verschuldet hat) und auf der Grundlage eines realistischen Umstrukturierungskonzepts eine rationale, aber nicht immer einfache Entscheidung zu treffen. Sonst tun es andere – die Kunden und Mieter, d. h. der Markt. Und die strafen jene Center gnaden­los ab, die sich den Revitalisierungs­bedarfen nicht stellen.

3 Beispiele für EKZ-Revitalisierung
1. Eine Stadtteillage in einer österreichischen Landeshauptstadt ist Standort eines noch jungen, rund 15.000 m² großen, dreigeschoßigen Einkaufszentrums. Die Frequenzen und Umsätze im Objekt sind niedrig, vor allem aus zwei Gründen: einerseits ist die oberste Handels­ebene optisch „abgehängt“ und ­faktisch von den beiden anderen Ebenen aus kaum wahrnehmbar, andererseits ist das Einzugsgebiet begrenzt und erlaubt nur ein Quartiersversorgungszentrum. Tatsächlich aber hat der Entwickler das Center als hochwertiges, überregionales Modezentrum zu positionieren versucht. Das hat nur teilweise funktioniert: Vor der Eröffnung des Centers wurde alles unternommen, um die Flächen im Haus zu vermieten. Die dabei eingegangenen Zugeständnisse führen jetzt dazu, dass die Mieter ihnen gewährte Sonderkündigungsrechte wahrnehmen oder dies für den nächstmöglichen Zeitpunkt ankündigen. Der Großmieter im Obergeschoß hat bereits geschlossen. Zugleich fehlen viele Angebote, die ein Nahversorgungszentrum eigentlich aufweisen müsste. Gefragt sind hier nicht nur eine völlige Neupositionierung des Centers mit neuem Branchen- und Mieter­mix auf allen Ebenen, sondern auch bauliche Maßnahmen, um das Obergeschoß für den Kunden wahrnehmbar umzugestalten. Auch über die Größe des Objekts muss nachgedacht werden.

2. Eine süddeutsche Mittelstadt: Innerhalb der noch weitgehend erhaltenen Stadtmauer wurde vor über 30 Jahren ein dreigeschoßiges innerstädtisches Einkaufszentrum mit insgesamt ca. 11.000 m² vermietbarer Fläche erbaut. Wie in jeder Innenstadt ist nicht jede Lage dort AAA – aus dem Center ist in den letzten Jahren (trotz der im Hause vorhandenen und gut anfahrbaren Tiefgarage) der Lebens­mittel­markt im Erdgeschoß ausgezogen. Der Elektronikmarkt im 1. Obergeschoß sucht einen Standort im Bereich der Fachmärkte am Stadtrand, ein großflächiger niedrigpreisiger Textilanbieter und einige kleinere Geschäfte befinden sich noch im Objekt. Das Center hat es in den vergangenen Jahr­zehnten aufgrund seiner geringen Größe nicht geschafft, die Entwicklung des Standorts und der Umgebung zu einer attrak­tiven höherwertigen Einkaufslage anzustoßen. Da aufgrund der umgebenden ­Bebauung praktisch keine Flächenerweiterung möglich ist, könnte sich eine völlige Neupositionierung mit einer Reduzierung der Handels­flächen auf das EG und der Umnutzung von Flächen in den Obergeschoßen – mit Bezug auf die nahegelegene Hochschule und die wohnungssuchenden Studenten – empfehlen.

3. Ein 10.000 m² großes Einkaufszentrum in einer schweizerischen Kantonshauptstadt – exzellent gelegen zwischen Bahnhof und Altstadt. Der kürzeste Weg von den Zügen, dem Busbahnhof und der Tramhaltestelle in die gut erhaltene, jedoch relativ kleine Altstadt führt durch das dreigeschoßige Center mit dem Lebensmittelmarkt im Untergeschoß. Der gute Standort verzeiht funktionale Fehler, und die sind reichlich vorhanden: Man merkt, dass der Architekt bei der Planung nicht primär an ein Shoppingcenter gedacht hat, sondern die weiteren Büro-Obergeschoße im Vordergrund ­standen. Das gesamte Wege­system im Center ist optimierungsbedürftig und damit auch der Zuschnitt der meisten Mietflächen, um zum Beispiel kurze Seitenarme oder ungenutzte und kaum nutzbare Flächen zu beseitigen. Das ist nicht einfach, da zum Beispiel die Lage der Rolltreppen, Gehtreppen und Lifte im Haus sowie die Lage der glasüberdachten Lichthöfe einer kundenorientierten Wegeführung und Flächenoptimierung im Wege stehen. Dennoch könnte sich eine größere Umgestaltung lohnen, um mehr und besser erschlossene Mietflächen im Objekt zu schaffen und die Flächen­produktivität zu verbessern.

EigentümerstrukturMietverträgeStandortFunktionale Mängel
Letztlich kann auch die Eigentümerstruktur (Fonds­objekt, Miteigentümergemeinschaft, Streubesitz) einer auf Langfristigkeit angelegten Revitalisierung abträglich sein. Bis man hier alle Beteiligten unter einen Hut bekommt, kann viel Zeit vergehen – dennoch lohnt sich der lange Atem, weil nur so weitere Krebsgänge des Centers und damit Wertverluste verhindert werden können.

Müssen für die Revitalisierung darüber hinaus be­stehende Miet­verträge (insbesondere mit Groß­mietern) aufgelöst oder geändert werden, so ergeben sich weitere – oftmals in ihren finanziellen Auswirkungen vorher schwer kalkulierbare – Unsicherheitsfaktoren. Hier sind besonderes Fingerspitzengefühl und großes Verhandlungsgeschick erforderlich.

Der bei Weitem wichtigste Faktor ist der Standort des Objekts. Ist er nicht optimal, sodass das Center hinsichtlich Größe, Mieterbesatz und Anziehungskraft nicht auf sein Einzugsgebiet passt, wird eine Revitalisierung schwierig – eine Veränderung von ­Standortqualitäten ist nahezu unmöglich. Deshalb muss gegebenen­falls die Ausrichtung eines Centers auf seinen Standort hin überprüft und das Objekt neu positioniert werden – das kann eine vollständige Umgestaltung des Branchen- und Mietermixes und eventuell sogar eine Redimensionierung des ­Centers erforderlich machen.

Kommen funktionale ­Mängel im Inneren des Centers hinzu (zum Beispiel nicht optimale Sicht- und Wegeverbindungen zwischen den einzelnen Handelsebenen), so ergeben sich rasch erhebliche Investitionsbedarfe, denen kaum ausgewichen werden kann – und zwar vor allem dann, wenn nicht zugleich zusätzliche Flächen (und damit zusätzliche Einnahmequellen) geschaffen werden können, welche die Wirtschaftlichkeitsrechnung vereinfachen. Ist eine Center-Erweiterung im Rahmen der Center-Umstrukturierung nicht möglich, ist die Rentabilität einer Revitalisierung oft nur schwer darstellbar. Dennoch sind solche Investitionen erforderlich, um das Center aus dem Tal der Tränen herauszuholen. Die Alternative – Aufschieben einer Abschreibung/Wertberichtigung als Folge weiter zurückgehender Umsätze und zunehmender Mietvertragskündigungen – ist letztlich noch schlechter.

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