Hotel Macht Blücklich

TREND Neupositionierung

Eine Juristin hängte ihren Job an den Nagel und sanierte eine abgerockte 3-Sterne Bude in Bad Hofgastein. Das wegweisende Konzept bringt urbane Elemente in die konservative Ferienhotellerie.

Kaiser Franz war ein Looser und ist deshalb inspirierend für das Hotel Blü. So beginnt Eva Eder von ihrem Lebens­projekt zu erzählen. Kaiser Franz ließ die erste Thermalwasserleitung vom mondänen Bad ­Gastein ins im Tal befindliche Bad ­Hofgastein legen, aber das sei kein Grund zur Verherrlichung. Geschätzt wird von Eder vielmehr, dass der Kaiser die Botanik der Bürokratie vorzog, dass der als „Blumenkaiser“ verschriene Franz im Grünen dem Zwang des Hofes entkam. Der Name Blü – das sich vom Blühen ableitet – meint, dass man nichts muss, alles darf. Das ist die Maxime und das luftigleichte Konzept des Hotels, das Eva Eder seit Anfang dieses Jahres als Gastgeberin führt.

Neuerfindung

Eder hat sich mit dem Hotel einen Traum erfüllt. 18 Jahre lang arbeitete sie für große Wiener Rechtsanwaltssozietäten und in der Rechts- und Personalabteilung eines Konzerns. Es ging ihr wohl ein bissl wie dem Kaiser Franz, so richtig glücklich machte sie das nicht. Mit 49 Jahren hat sie sich neu erfunden, ein Hotel zu führen hat sie immer schon gereizt. Ihre Jugendfreundin mit Hotel­erfahrung, Bibiana Weiermayer-­Schmid, unterstützte ihren Wandel, ­verpflichtete sie aber zu einem Jahr Praxis­erfahrung im familien­eigenen Hotel. Also polierte Eder Gläser, gab Zimmer frei und ließ Gäste Meldezettel ausfüllen.

Eva Eder ist überzeugt,
als Gastgeberin nun
mehr Leute glücklich
zu machen als damals
als Rechtsanwältin.

Statt in Wien zu bleiben, tat sich justament in Salzburg – Eders Heimat – eine Chance auf. Der Salzburger Hof, ein „­abgerocktes 3-Sterne-Hotel“, wie Eder sagt, schlitterte fast in den Konkurs. Zehn Einheimische retteten ihn, indem sie ihn kauften, aber irgendwie waren bald darauf 51 (!) Gesellschafter an dem Haus ­beteiligt, und zu viele Köche … „Da lässt sich kein Betrieb gut führen“, erzählt Eder. Also hat sie mit Bibi Weiermayer-Schmid die Immobilie zu einem Großteil übernommen. (Jetzt sind es nur mehr zwölf Gesellschafter, die Mehrheit liegt mit 60 Prozent aber bei Eder, ihre Freundin Bibi hält 16 Prozent.)

Das Stammhaus wurde saniert, ein Anbau mit 30 Zimmern hinzugefügt, Sauna und Yogaraum ergänzt, in einer einladenden Bibliothek mit eigener Terrasse steht die beachtliche Literatursammlung Eders zur allgemeinen Verwendung. Nur ein Garten fehlte. Der wurde kurzerhand aufs Dach verfrachtet. Während der Blick der auf den Liegen ruhenden Gäste über das Tal, dessen Ende bei Bad Gastein und dann hinauf über die Felsen in den Himmel ­wandert, zwickt der Koch in den Hochbeeten ­daneben ein paar Kräuter fürs Abendessen ab. Auf der Speisekarte werben südost-asia­tische Häppchen und levantinische Kompositionen darum, verzehrt zu werden, aber auch Alpen-Ceviche und Kaiserschmarren buhlen um ihr Ende in den Gästemägen.

Der komplette Um- und Zubau
wurde von lokalen Firmen in nur sechs
Monaten bewerkstelligt.

 

Die Bibliothek
mit der privaten
Sammlung der
Besitzerin. Auch
die Möbel in
diesem Raum
stammen aus
der Ex-Wohnung
in Wien.

Alpine casual

Das Konzept bringt die lässig-urbane Linie in die Berge. Da hängt ein Gemälde neben neonblauen Leuchtstangen und ein Hängesitz vor dem freigelegten rohen Ziegelmix des Altbestands. Das Interieur ist eine fröhliche Mischung aus hippen Retromöbeln, buntem Polsterwerk und solidem Gastromobiliar, auf dem Wiesenblumen in kleinen Vasen drapiert sind. Nur die antiken Möbel in der Bibliothek und im Schreibzimmer fallen gänzlich aus der Linie. Sie stammen aus Eders Dachgeschoßwohnung in Wien, die sie verkaufte, um sich das Hotel leisten zu können.
Nach der Planung ging es ­übrigens schnell. Der komplette Um- und Zubau wurde von lokalen Firmen in nur sechs ­Monaten ­bewerkstelligt. Und schwupps – dort, wo zuvor eine schlecht gehende 08/15-­­Absteige wie aus der Kulisse der Piefke-Saga stand, lädt jetzt ein frisches Hotel mit blühendem Spirit ein zum Verweilen, zum Plaudern, zum Lesen, zum Sportln, zum Nichtstun. Selbst die Einheimischen nehmen dieses Angebot an. Die Hotelrezeption wurde extra nach hinten verlegt, damit die Café- und Restaurant-Gäste nicht abgeschreckt werden. Am öffent­lichen Platz setzen sich Passanten auf die poppigen Möbel vor die Kaiser-Franz-­Büste. Hotel, Restaurant und öffentlicher Raum verschwimmen ganz zwanglos.
Irgendwo dazwischen wuselt Eva Eder herum, rückt Sessel zurecht, begrüßt neue oder alte Gäste, sucht ihren Hund. Sie sagt: „Früher habe ich neun von zehn Leute durch Streiten unglücklich gemacht. Heute ist es umgekehrt.“