Der Immobilien-Hit

Die Immobilienkonjunktur befindet sich auf einem All-Time-High. Doch die Bedrohungsszenarien häufen sich: Rezession, Handelskriege, Brexit und Aufstände in Hongkong. Droht das Hitwunder Immobilien nun zu kippen?

Ungläubig schüttelten die Manager, Makler und Developer auf den weltweit wichtigsten Immo-Investitions-Messen, der EXPO REAL und der MIPIM, den Kopf. „Irgendwann muss es doch wieder bergab gehen, aber keiner weiß, warum es jetzt so weit sein sollte“, fasste es ein amerikanischer Fondsmanager zusammen.

Sabine Barthauer, Deutsche Hypo- Vorstand, ist gelassen und rechnet mit keinen Verwerfungen.

„Tatsache ist: Das Bruttoinlandsprodukt hat sich im zweiten Quartal 2019 verringert. Zudem sind zuletzt die Wachstumsprognosen für Deutschland gesenkt worden. Handelskonflikte und geopolitische Unsicherheiten belasten die Weltkonjunktur“, meint Sabine ­Barthauer, Mitglied des Vorstands der Deutschen Hypo. Sebastian Nitsch, ­Vorstand von 6B47 Real Estate ­Investors AG, hält einen Dämpfer bzw. eine Seitwärtsbewegung der Weltwirtschaft für ­realistisch: „Es gibt viele Krisen­herde. Man denke nur daran, wie heikel der Konflikt in Hongkong ist bzw. war, und was ein Einschreiten des chinesischen Militärs bedeuten würde.“ Auch den Handelsstreit zwischen China und den USA hält Nitsch für konjunkturell schädlich, der Brexit bringe ebenso wenig Stabilität wie Italiens wackelige Finanzlage.

Bringen diese Krisen nun den Fall des Immobilienzyklus-Wunders? „Wir inves­tieren und entwickeln in unterschiedlichen Assetklasse in drei Ländern, in Österreich, Deutschland und Polen. Das Paradoxe ist: Die weltweiten Unsicher­heiten stärken diese stabilen Märkte. Alle wollen dort Immobilien haben“, so der 6B47-Vorstand, der im selben Atemzug darauf verweist, dass in Deutschland die ganz normale Nachfrage noch immer nicht gedeckt werden kann.

„Verrückt“, meint Sebastian Nitsch, Vorstand von 6B47. Die Immo-Wirtschaft würde von den Weltkrisen profitieren.

In der Tat: Im ersten Halbjahr 2019 wurden an den acht deutschen Stand­orten Berlin, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, ­Hamburg, Köln, Leipzig und München knapp 1,98 Millionen Quadratmeter Büro­fläche umgesetzt. Damit wurde der Vorjahreswert um rund 8 Prozent übertroffen und gleichzeitig ein neuer Umsatzrekord aufgestellt, so eine Analyse von BNP ­Paribas Real Estate. „Die Fertigstellungsraten können die große Nach­frage bei Weitem nicht bedienen. Deswegen verspüren Eigentümer älterer Gebäude aktuell auch noch keinen Druck, denn es fehlen schlichtweg die Alternativen“, meint auch Sabine Barthauer. Überhaupt würden sich die weltpolitisch heiklen Entwicklungen noch wenig auf den Immobilienmarkt auswirken.

Für den Aktienmarkt gilt das nicht. Wegen der bereits erwähnten Risiken, der Umkehrung der US-Zinskurve und der schlechteren Konjunkturdaten Deutschlands mahnt Benjamin Melman, Global Chief Investment Officer bei Edmond de Rothschild Asset Management, zur extremen Vorsicht bei Aktien. „Es ist verrückt, aber der Umstand, dass Staatsanleihen negativ und Aktienmärkte enorm volatil sind, befeuert die Immobilienwirtschaft weiterhin“, analysiert Nitsch. Denn das Kapital ist ja da, so viel wie vielleicht noch nie. Nicht nur die globalen Institutionellen, auch neue Player wie Family Offices und private Vermögende jagen ­Immobilieninvestments hinterher. Die einst langweiligen Immobilien sind zum Pop geworden.

„Vor Jahren wurden Immobilien belehnt, um Aktien zu kaufen, heute verzeichnen wir immer höhere Eigenkapital-Anteile bei Immobilienkäufen“, so Nitsch. Bloß das Ziel habe sich verändert, heute stehe der Werterhalt im Fokus. Aufgrund der vielen Eigenmittel hält Nitsch auch wenig von Blasenfantasien, „weil ja eine Blase für mich auch durch eine starke Fremd­finanzierung charakterisiert ist“.

Es bleibt also beim wunderlichen Erfolgsboom der Immobilienwirtschaft, zumindest in Europa. Die Deutsche-­Hypo-Vorständin Sabine Barthauer resümiert: „Angesichts der kontinuierlich hohen Nachfrage gehe ich nicht davon aus, dass es in unserer Branche kurzfristig zu größeren Verwerfungen kommen wird. Mittel- bis langfristige Prognosen fallen dagegen derzeit schwer.“