Generation Erben

TREND Erben

Immobilien im Wert von mindestens 100 Milliarden Euro werden in den nächsten zehn Jahren in Österreich vererbt. Das ist gut für die Erben, so sie sich nicht zerstreiten. Es birgt aber auch sozialen Sprengstoff – die ungleiche Verteilung wird größer.

Eine Generation, die erst die ­bitteren Nachwehen des Krieges und dann den enormen Wirtschaftsaufschwung miterlebt hat, kommt in die Jahre. Im zweiten Teil ihres Lebens konnten viele Wohlstand aufbauen. Schon ­traditionell ist einiges Vermögen in Immobilien investiert, im letzten Jahrzehnt floss mangels attraktiver Anlagealternativen dann noch mehr Geld in Immobilien als Altersvorsorge. Daher dürfte die jährliche Erbmasse von Immobilien weit mehr als 10 Milliarden Euro ausmachen. Dieser Wert stammt von einer GfK-Untersuchung aus dem Jahre 2012, jüngere Studien dazu gibt es nicht. Wer allerdings den Anstieg des privaten Finanzvermögens (rund 125 ­Milliarden Euro, ohne Immobilien) sowie die Wertsteigerung der Immobilien seit 2012 hinzurechnet, kommt auf astro­nomische Summen. Diese Annäherung lässt sich dann nochmals um den Faktor korrigieren, dass es immer mehr ältere Menschen gibt und geben wird und dass tendenziell immer mehr Geld in Immobilien fließt. Punktum: Erben und Vererben von Immobilien wird zum großen Thema der nächsten Jahrzehnte.

Der private Asset Manager

Das könnte sogar zu einem neuen Immobilienberuf führen, glaubt Tobias Just, Professor an der IREBS Immobilienakademie. Er glaubt an den Immobilienasset Manager für Private. Also eine Vertrauensperson, die sich als zentrale Ansprechperson um die Immobilien der Erben kümmert. Durch die Asymmetrie der Erbmasse – nur etwa 2 Prozent aller Haushalte vereinen rund 40 Prozent des gesamten Immobilien­erbschaftsaufkommens in Österreich auf sich – werde bei den Vermögenden ein Bedarf nach so einer Beratung entstehen. Der private Asset Manager weiß, welche Immobilien abgestoßen werden sollten, wann welche baulichen Maßnahmen Sinn machen etc. Er beauftragt und kontrolliert unabhängig Hausverwaltungen und einzelne Makler.
Richard Buxbaum, Leiter Wohnimmobilien und Zinshäuser bei Otto Immo­bilien, berichtet: „Wir machen einen wesentlichen Teil unseres Umsatzes, indem wir Erben oder Vererbende beraten“, wobei er einräumt, dass vor allem der Zinshausbereich dafür verantwortlich sei. Auch Sandra Bauernfeind, geschäftsführende Gesellschafterin der EHL Wohnen, bestätigt, immer wieder kleine Portfolio-­Analysen von Erben durchzuführen. Aber warum sollte man überhaupt eine Immobilie verkaufen, ist sie nicht ohnehin eine der besten Anlagen? Buxbaum: „Wir haben Fälle, bei denen es Sinn macht, ein altes Zinshaus zu verkaufen und dafür in ein neues Zinshaus ohne Mietzinsbindung zu investieren oder mehrere moderne Anlagewohnungen zu erwerben. Letzteres hat zum Beispiel den Vorteil, dass nicht das ganze Kapital in einem Asset gebunden ist, bei Bedarf kann man eine einzelne Wohnung verkaufen.“ ­Wichtig sei zu hinterfragen, wie man das Beste aus der oder den Immobilie/-n herausholen kann. Vielleicht macht eine kleine Sanierung Sinn, um die Miete zu steigern, vielleicht eine Parifizierung etc. Wird das geerbte Objekt – aus welchen Gründen auch immer – verkauft, könnte man die Immobilie schon mit der Einantwortung (also der Festlegung des Notars, dass man die Immobilie erbt) veräußern und spart sich unnötige Kosten bei der Eintragung ins Grundbuch.

Streitigkeiten vermeiden

So einfach ist das Erben also nicht. ­Richtig unangenehm wird es bei einer zer­strittenen Erbengemeinschaft. „­Manche Eltern finden es vielleicht gerecht, aber eine 50:50-Aufteilung eines Immobilien­besitzes führt leicht zu Streitereien unter den Nachkommen“, so Bauernfeind, „sei es, weil sich die Erben über die Farbe der Wand, die Renovierungserfordernisse oder die allgemeine Zukunft der Liegenschaft nicht einigen können.“ Kommt es zum Streit, hat sich Mediation als frieden­stiftendes Mittel erwiesen. „Es gibt Situationen, wo eine Gerichtsverhandlung nicht nur sinnlos ist, sondern auch mehr schaden als helfen kann. In diesen Fällen stehen entweder Emotionen im Vordergrund oder bzw. und die Ursache des Konflikts liegt in einem völlig anderen Bereich und man streitet um das Falsche. Hier kommt man nur mit Mediation zu einer Lösung“, erklärt Business Mediator Peter Adler. Von so einer Vorgehensweise hält auch Buxbaum viel. Fast alle Mit­arbeiter bei Otto Immobilien haben einen Grundkurs in mediativen Kompetenzen, und 10 Prozent der Mitarbeiter haben eine vollständige Wirtschaftsmediations­ausbildung, Tendenz steigend.

Eine Erbschaft in der Stadt kann ein Vermögen bedeuten, am Land kann sie fast nichts wert sein.
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Besser schenken?

Auch um Konflikte präventiv zu ver­meiden, sollte man sich rechtzeitig Gedanken ­machen, wie man vererbt. Oder schenkt? Was denn nun eigentlich? Bis vor Kurzem war zur Übertragung von Immobilien ­zwischen den Generationen das Schenken zu Lebzeiten der Klassiker. Aufgrund der steuerlichen Änderungen 2015/16 und des Wegfalls des Pflegeregresses habe sich das nun aber geändert, wie Rechtsanwalt ­Robert Reich-Rohrwig erklärt: „An sich waren Schenkungen eine gute ­juristische Lösung: Das nackte Eigentumsrecht einer Immobilie wurde schenkungs­halber übertragen. Regelmäßig behielt sich der ­Schenkende ein Fruchtgenuss- oder Wohnrecht vor, sodass er das Objekt weiter nutzen konnte. Zusätzlich wurde meist ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten des Geschenkgebers im Grundbuch eingetragen. So war und ist gewährleistet, dass sich an den Eigentums­verhältnissen an der ­Immobilie bis zum Ableben des Geschenkgebers nichts ändert.“ Nach den genannten Änderungen bei Steuer und Pflegeregress ist das Ver­erben nun aber auch wieder eine ­attraktivere Variante geworden – die Unterschiede sowie die Vorteile der ­einzelnen Varianten hat der Anwalt im Kasten auf der vorigen Doppelseite ­zusammengefasst.

Fatale Ungleichheit

Das Mega-Vermögen, das in den nächsten zehn, zwanzig Jahren vererbt werden wird, bringt Wohlstand für die Betroffenen, birgt aber auch gesellschaftlichen Sprengstoff aufgrund der ge­klumpten Verteilung. Das gilt etwa für das Stadt-Land-­Gefälle: Stadtimmobilien, also jene in Bundes-, Landes- und Bezirkshauptstädten, würden kein Problem darstellen, meint Sandra Bauernfeind. Sie dürften durchschnittlich recht gut ver­mietbar sein. Wer aber am Land erbt, hat möglicher­weise den schwarzen Peter gezogen. Oftmals hätten die Kinder dort schon ein eigenes Haus gebaut oder sie wohnen überhaupt nicht mehr in dem Ort. Was tut man dann mit dem verstaubten Haus aus den 60er-Jahren? „Hier gibt es oft keinen Sekundärmarkt, schon gar nicht in Regionen, die von Ab­wanderung geprägt sind“, so die Expertin von EHL. Tobias Just warnt vor einer bevorstehenden massiven ­Entwertung am Land.
Noch eine Ungleichheit verstärkt die nahende Erbschaftswelle: Das Prinzip der Reichen, die noch reicher werden, schlägt voll zu. Was passiert mit ­einer Gesellschaft, wenn die Vermögen stärker wachsen als die Einkommen? Wenn die Rendite aufs Kapital höher ist als das Wachstum der Wirtschaft ins­gesamt? Dann würden einige wenige von ­ihrem Vermögen leben, für die Mehrheit würde sich die Arbeit aber nicht mehr lohnen – sie können keinen Wohlstand mehr aufbauen. Während die einen Unsummen erben, kämpft die Mehrheit um leistbares Wohnen. Und plötzlich werden die Thesen, die der Ökonom ­Thomas Piketty vor sechs Jahren in seinem Buch „Das Kapital im 21. Jahr­hundert“ beschrieben hat, wieder ­ebenso heiß diskutiert werden wie eine seiner Forderungen: Steuern auf Arbeit senken, auf Vermögen erhöhen.