War for Talents ist längst Realität

Trend Branchennachwuchs

Die Sorge um Nachwuchs und seine digitale Kompetenz steigt. Der War for Talents ist in Branchen wie dem Facility Management oder dem Trockenbau schon längst angekommen.

Wird die Automatisierung Jobs kosten? Blöde Frage, antworten einige, aber nicht weil sie eine Antwort haben, sondern weil sie andere Sorgen haben. Sie suchen Mitarbeiter! „Wir haben alle offenen Stellen auf unserer Website ausgeschrieben, im technischen Bereich ist der Mangel spürbar“, erzählt Thomas Fastenrath, Geschäftsführer bei WISAG in Österreich, und verweist auf eine AMS-Statistik, die rund 5.000 offene Stellen für technische Berufe ausweist – „vor ein paar Jahren ­waren das noch null.“ Auch der Präsident des VÖTB (Verband Österreichischer Stuckateur- und Trockenausbauunternehmungen), Gregor Todt, klagt über den Mangel an qualifizierten Mitarbeitern. So gut wie alle Betriebe würden hände­ringend nach Leuten suchen, die mit Fachwissen zum Beispiel für Brandschutz und Bauphysik und mit Pragmatik agieren. „Im Trockenbau fehlen hauptsächlich Facharbeiter mit Lehrabschluss im Bereich Stuckateur und Trockenausbau“, so Todt. Große Hoffnung liegt daher in einer neuen Ausbildung, einem Kolleg für Trockenbau-Management, das im September zum ersten Mal in Baden bei Wien starten wird. Den Bedarf abdecken wird dieser Lehrgang aber dennoch nicht.

Es gibt keinen FM-Lehrling

Liegt die Lösung in mehr Lehrlingen? „Firmen­verantwortliche der Verarbeiter tun sich eine Lehrlingsausbildung oft nicht an, da es ein relativ hoher Aufwand ist, sich um eine ganzheitliche Ausbildung – menschlich, allgemein und fachlich – während des Alltagsgeschäfts zu kümmern. Zumindest Kleinst- und Mittelbetriebe greifen da eher auf vorhandene Ressourcen wie Sub-Firmen oder Leasing-Personal zurück“, ärgert sich Todt. Noch komplizierter wird es für die Branche des Facility Managements, der Beruf als solcher umfasst ja zahlreiche Bereiche und Gewerke und ist mit einer Lehre gar nicht ausbildbar. „Es sollten andere Berufs-Quellen angezapft werden, solche wie Techniker, Consulter, Hotelfachkräfte etc.“, meint Reinhard Poglitsch, Präsident der IFMA Austria. Die WISAG bildet laut Fastenrath entweder selbst Lehrlinge in den einzelnen Berufen aus oder ermöglicht auch ein berufsbegleitendes Studium. Fastenrath: „Die Konkurrenz wird immer stärker. Die Bauwirtschaft hat Hochkonjunktur und bietet deshalb derzeit höhere Löhne, die direkten Marktbegleiter suchen auch gute Leute. Man muss immer mehr bieten.“ Bei der WISAG investiere man daher stark in die eigenen Mitarbeiter und versuche sie zu halten. Goodies fürs Personal, ob das der Führerschein ist oder, wie im Tourismus schon üblich, dass der Ehe­partner auch untergebracht wird, scheinen da nicht allzu weit weg zu sein.

„Jene Arbeitsplätze, die wegfallen, sollte es ohnehin nicht geben.“
Michael Dell

Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung? Sie wird jedenfalls das Business verändern. „Ich hätte immer gerne ein Internet der Ressourcen, das mir zum Beispiel sagt, wo der nächste 3D-Drucker für eine bestimmte Stahlart steht und wann er nicht ausgelastet ist“, skizziert Zukunftsforscher und Innovationstreiber Michael Dell, der in dem Beispiel den Fachmitarbeiter natürlich gleich mitmieten möchte. Eine solche Vernetzung führt zu neuen Geschäfts- und Produktionsmodellen und wirbelt auch die Logistik durcheinander. Der Stahlgroßhändler, der sich heute aufgrund der hohen Kosten logistisch optimieren muss, kann bei autonom fahrenden Transportern auch kleine Einheiten mit geringen Kosten ­liefern lassen. Für kleine und hoch­komplexe Teile, die vielleicht auch noch aus einem Materialmix bestehen, sei das laut Dell aber irgendwann auch gar nicht mehr notwendig. 3D-Drucker auf der Baustelle würden das übernehmen. „Es fehlt nicht an Ausbildungen, sondern an den richtigen Inhalten der Ausbildung“, meint Reinhard ­Poglitsch. „Auch wenn ich mich bei den Aus­bildungsinstitutionen unbeliebt mache – es werden noch immer die Basics von Facility Management unterrichtet und die neuen Trends wie Digitalisierung, Sensorik, IoT nicht adressiert.“ Deshalb suche die FMA/IFMA Austria den Kontakt zu den Ausbildungsstätten und bietet Unterstützung an. Doris Bele, ebenfalls im Vorstandsteam des Interessenverbands, will diesen Prozess im 2. Quartal mit einer Befragung zur Situation starten.

Hightech-Handwerker

Menschen, die sich mit Maschinen auskennen, werden durch sie nicht so leicht ersetzt werden, sondern künftig enorm nachgefragt sein. Dell sieht etwa in der Automatisierung auch keine gesellschaftliche Problematik: „Natürlich werden wir hochautomatisierte Fabriken sehen, in denen ein paar wenige Menschen alles kontrollieren. Aber es wird nicht schlechter. Wie in vorangegangenen industriellen Revolutionen werden Tätigkeiten, die für den Menschen eigentlich zu gefährlich, extrem monoton oder gesundheitsbelastend sind, von Robotern erledigt. Jene Arbeitsplätze, die wegfallen, sollte es ohnehin nicht geben.“ Die Bau- und Immobilienbranche braucht Hightech-Handwerker und ­-Manager. Gut ausgebildete Leute, die nicht einfach nach einem Muster arbeiten, sondern mitdenken und die Kreativität, die die Technologie mit sich bringt, ver­stehen. Die digitale Frühförderung ist freilich nicht allein in der Industrie notwendig, aber für die Branche bedeutet das, dass sichergestellt werden muss, dass zum Beispiel Lehrlinge mit den besten Tools und den modernsten Maschinen arbeiten können – wiederum ein Umstand, der es KMUs schwerer macht.

Image-Probleme

Die FM-Branche müsse als Ganzes interessanter gemacht werden, glaubt Thomas Fastenrath. Ein positives Image lockt auch gute Leute an. In Deutschland sei das mit der Möglichmacher-Kampagne gelungen. Auch Poglitsch sieht Österreich in diesem Punkt hintennach: „Hier müssen wir Fahrt aufnehmen, wenn wir nicht ins Hintertreffen kommen wollen. Also weg vom klassischen ‚Putzen‘ und ‚Warten‘ und hin zum Fokus auf den Wohlfühlfaktor der Menschen in Gebäuden. Wir müssen den Sprung zum Hospitality-­Spezialisten machen.“ Die Digitalisierung könnte dabei sogar eine wichtige Rolle spielen, glaubt Todt, sie könne als „Lockruf“ für die Jugend dienen. Sie sollte bindend ihren Platz in den Berufsschulen finden, „das macht auch unser Berufsbild wieder interessanter und moderner.“ 

 

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