Verrückte Immobilien-Welt
Wenn Häuser mobil werden, funktioniert das gewohnte Regelwerk nicht mehr. Die Chancen: billigeres und modulares Wohnen und Arbeiten auf immer unterschiedlichen Grundstücken. Auch der Tourismus könnte davon profitieren.
Lage, Lage, Lage – das eherne Gesetz der Immobilien wird mit mobilen Häusern ad absurdum geführt. Denn mit ihnen kann man plötzlich auf innerstädtischen Flachdächern ein Büro betreiben. Oder wohnen. Auf der Almwiese, wo nicht gebaut werden darf, könnte die Sommermonate über ein kleines Feriendomizil als Rückzugsort dienen. Danach verschwindet es wieder. Oder das leerstehende Grundstück, das seine Kreditrückzahlung aufbessert, indem es für drei Jahre einem Scheidungsopfer als Boden dient. Es hat sein mobiles Haus gemietet und einfach draufgestellt. Die Anwendungen von mobilen Immobilien sind – sowohl gewerblich als auch im Wohnbau – mannigfaltig.
Das Prinzip ist in der Regel gleich: Kleine, effizient ausgerichtete und flexibel erweiterbare Einheiten, die im Vergleich zu normalen Immobilien relativ leicht abtransportiert und woanders hingestellt werden können. „Wohnen in Bewegung entspricht einem uralten menschlichen Bedürfnis“, glaubt etwa der Salzburger Hersteller Nomadhome, der ein gleichnamiges mobiles Haus in Serienfertigung anbietet. „Schnell, effizient, einfach“, wird das stylische mobile Wohn- und Arbeitsraumkonzept angepriesen. Ein Nomadhome steht etwa in Kaprun und dient als Skischul-Büro. Zuvor war es ein Touristenhotspot („Mozart Infolounge“) in Salzburg.
Grundstück als Kostenfaktor fällt weg
Sascha Haas, Geschäftsführer von Mikrohaus, einem weiteren heimischen Hersteller von mobilen Wohn- und Arbeitslösungen, glaubt, dass hinter der Nachfrage nach mobilen Immobilien weniger der Wunsch des Menschen steht, zu seinen Wurzeln als Nomade zurückzukehren, sondern vielmehr der Komfort, ein schlüsselfertiges Haus geliefert zu bekommen. Dass seine Kunden ihre Mikrohäuser bevorzugt auf gepachteten Grundstücken abstellen, habe auch eher einen pragmatischen Hintergrund. „Schließlich ist das Grundstück der größte Kostenfaktor beim Hausbau“, sagt er. Pachtet man dagegen über einen überschaubaren Zeitraum ein Stück Land, so stehe nicht dessen Wert im Vordergrund, sondern das Wohnen. Haas spricht von einer Win-win-Situation für beide Seiten: Der Hausbesitzer spart sich den Kaufpreis und der Grundstückeigentümer die Pflege sowie die mit dem Besitz verbundenen finanziellen Aufwendungen.
Laut Daniel Richter, Experte für Immobilienrecht bei Dorda Brugger Jordis, spricht man in solchen Fällen von Superädifikaten. „Dem Grundbesitzer gehört dann – anders als normalerweise – das Bauwerk nicht“, erklärt er.
An eine gänzlich andere Zielgruppe will sich das Grazer Architekturbüro WG3 mit dem Hypercubus wenden. Dabei handelt es sich um eine mobile Unterkunft, die speziell für den Fremdenverkehr entwickelt wurde. Die Idee dazu kam Matthias Gumhalter und seinem Partner Christian Reschreiter während des Architekturstudiums an der TU Graz, als sie mit der Aufgabe konfrontiert wurden, eine Wohnmöglichkeit auf möglichst kleinem Raum zu realisieren. Wichtiger Input kam dabei von Gumhalters Schwester, die sich im Rahmen ihrer Bachelorarbeit mit dem Potenzial mobiler Wohneinheiten im burgenländischen Tourismus beschäftigte.
Flexible Häuschen statt Bettenburgen
Innerhalb kürzester Zeit wurde dann ein Prototyp entwickelt. Trotz der überschaubaren Normmaße – die deshalb notwendig sind, damit der Transport mit dem Lkw möglich ist – verfügt der 7 Meter lange und 3 Meter breite Hypercubus über drei Wohnebenen. Auf der untersten befinden sich Bad und Küche, in der mittleren der Wohnbereich und in der oberen schließlich das Schlafzimmer. Die großzügigen Verglasungen sollen das touristische Vergnügen fördern. Die Mini-Apartments benötigen neben dem ebenfalls mobilen Fundament, an dem sie angebracht werden, vor Ort lediglich einen Anschluss an das Wasser-, Strom- und Kanalnetz. Eine weitere Version ist dank Wassertank und Photovoltaik-Anlage vollkommen energieautark. Ansprechen will man mit dem Hypercubus einerseits kleinere Ortschaften, die eine sanfte Form des Tourismus betreiben möchten, ohne die Landschaft langfristig mit Hotelburgen zuzupflastern. „Funktioniert es in einem Ort nicht, so kann man die mobilen Immobilien woanders hinstellen“, so Gumhalter. Größere Fremdenverkehrsregionen können mit dem Hypercubus wiederum saisonale Engpässe überbrücken, die etwa im Winter bei guter Schneelage oder bei Events wie Skirennen oft gegeben sind. Im Sommer könnten die mobilen Unterkünfte dann an einem See abgestellt werden. „Denkbar ist auch, dass die Hotels mit einer Großveranstaltung mitwandern“, meint der Eigentümer und Geschäftsführer der Blauen Lagune, Erich Benischek, egal ob sie mit Grund und Boden verbunden sind oder nicht. „Technisch gesehen lassen sich bestimmte Gebäude wieder demontieren, das kann ein Vorteil sein.“
Schwierig: Floating Homes
Gute Ideen im Kopf sind das eine, in der Realität funktionieren sie halt nicht immer. Auf ungeahnte Schwierigkeiten stieß Sascha Haas mit den „Floating Homes“, die 2011 angeboten wurden. Dabei handelt es sich um nichts anderes als schwimmende Mikrohäuser. Die Idee dahinter sei schlicht und einfach gewesen, diese dort aufs Wasser zu bringen, wo es keine Baubewilligung gibt, erklärt Haas. Aus einer einfachen Idee wurde eine – vor allem kostspielige – Odyssee: Denn damit die Häuser auf dem Wasser abgestellt werden durften, mussten sie seetauglich gemacht werden – also mit Lenkung und Nautik versehen werden. Dafür musste das Unternehmen wiederum um eine Konzession als Schiffswerft ansuchen.
Showroom für Projektentwickler
Das Leben von Pionieren … Christian Friedrich weiß ein Lied davon zu singen, er war bereits bei der Entwicklung des Smart als neuartiges Auto beteiligt, jetzt ist er Geschäftsführer von Loftcube. Installiert wurde diese „Mobilie“ als Office genauso wie im privaten Bereich, erzählt er. „Immobilienentwickler nutzen den Loftcube als Vertriebsbüro direkt beim Projekt. Dort ist dann auch ein Showroom für die Kunden untergebracht.“ Ist das Projekt fertig, wandert das Büro weiter zum nächsten Projekt, im Falle eines Loftcubes zum Beispiel von München nach Augsburg. Im Norden Deutschlands werden gerade mehrere Familienhäuser mit 120 Quadratmeter Wohnfläche geplant, in der Schweiz arbeitet Friedrich an einer Dachinstallation als Apartment mit 85 Quadratmeter und in Dubai sei eine größere Hotelanlage geplant. Und in Österreich? Da ist eine mobile Einheit auf einem Hoteldach geplant. Wo, möchte Friedrich noch nicht verraten, derzeit laufen gerade die Genehmigungen. Die sind freilich ein heikles Thema, denn hierfür sind immer die lokalen Behörden zuständig. Während die einen der Argumentation („Okay, ein Büro für drei Jahre muss nicht für die Ewigkeit genehmigt werden und es ist keine Immobilie“) folgen können, steht man bei anderen an. In dieser Hinsicht stimmen die Hersteller jedenfalls überein: Es muss viel Überzeugungsarbeit für ihre Produkte geleistet werden. „Auch wenn das Interesse grundsätzlich da ist, kann sich keiner so richtig vorstellen, dass das wirklich funktioniert“, meint Gumhalter. Er hat im Übrigen den Eindruck, dass im Ausland viel offener mit der Thematik umgegangen werde. „In der Slowakei lachen sie uns aus. Die dürfen sogar zweistöckige schwimmende Häuser auf dem Wasser bauen“, meint Sascha Haas, der von „großer Skepsis“ und einem „verhaltenen und konservativen Markt“ in Österreich spricht. „Es war nicht einfach, die ersten Kunden zu finden“, sagt er. Mittlerweile läuft es jedenfalls ganz gut. Im Rekordjahr 2012 konnten 21 Einheiten verkauft werden. Im Vorjahr waren es immerhin elf. Haas macht keinen Hehl daraus, dass ohne die starke Partnergruppe im Hintergrund – Mikrohaus gehört zum Fenster- und Türenspezialisten Gebrüder Haas – das Überleben deutlich schwerer wäre. Gerold Peham fasst den heimischen Markt so zusammen: „In Österreich fehlt etwas die geistige Mobilität.“